Pirmasens Champagner, Tanz und die Musik der Zigeuner

Ungarische Folklore und Pariser Flair treffen in der Operette „Gräfin Mariza“ aufeinander.
Ungarische Folklore und Pariser Flair treffen in der Operette »Gräfin Mariza« aufeinander.

In der Pirmasenser Festhalle ging es am Montagabend heiß her. Weil alles im Zeichen der Liebe stand – aber auch, weil 700 Operettenfans dem Angebot des Kulturamts gefolgt waren und gefühlte 30 Grad im Saal herrschten. Die Neuinszenierung der „Gräfin Mariza“ durch die Operettenbühne Wien kam beim Publikum hervorragend an, das dem Ensemble letztendlich kräftig applaudierte.

Heinz Hellberg fügt in seiner Neuinszenierung der Operette, die 1924 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde, zwei Wunderwelten zusammen: ungarische Folklore und Pariser Flair aus Pigalle. Heraus kommt ein leuchtend buntes Bilderbuch aus Tanz, witzigen Dialogen und Gesang. Ein kräftiges Rot ist das dramaturgische Mittel, das inhaltlich alles zusammenhält: Rot ist die Farbe, die bei ungarischen Trachten dominiert, aber auch im Moulin Rouge vorherrscht. Rot ist die Farbe der Liebe, aber auch der Paprikaschoten, die im ersten Akt an den Hauswänden aus Sperrholz baumeln. Auch die Bühne ist in Rot getaucht, als Gräfin Mariza vorhergesagt bekommt, dass sie sich verlieben wird, ein Licht, das sich wiederholt, als sich die Prophezeiung vollzieht. Die Handlung, geschrieben von Julius Brammer und Alfred Grünwald, ist irr und wirr wie eh und je. Gräfin Mariza feiert ihre Verlobung „par distance“ mit einem Mann, den sie erfindet, um sich vor ihren Verehrern zu schützen. Die Arme, alle haben es nur auf ihr Vermögen abgesehen. Dass es den erfundenen Baron Kolomán Zsupán namentlich wirklich gibt, ist reiner Zufall, dass er sogar anreist, um seine Zukünftige kennenzulernen, wird regelrecht zur Farce. Die Farbenpracht, vereint mit bekannten Liedern der Operette und der Musik von Emmerich Kálmán, ist offenbar ein Garant für exzellente Unterhaltung. Das Publikum genießt zurückgelehnt Lieder wie „Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien“ und „Komm mit nach Varasdin“, ein Lied, das zum musikalischen Motiv des Abends wird. Gräfin Mariza, schillernd gespielt und gekonnt gesungen von Ella Tyran, scheint eine Mischung aus „Bezaubernde Jeannie“ und Pariser Lebedame zu sein, obwohl sie auch mal in ungarischer Tracht zu sehen ist. Doch das, was von der schönen Österreicherin hauptsächlich in Erinnerung bleibt – neben ihrem kräftigen Sopran, der den Saal der Festhalle mit Leichtigkeit vielleicht sogar zu üppig füllt –, ist das knallrote eng anliegende Paillettenkleid, mit dem sie ihren Verwalter im Nu für sich gewinnt. Stefan Reichmann sieht als Graf Tassilo Endrödy-Wittenburg, Verwalter und künftiger Ehemann an ihrer Seite, fast ein wenig blass aus. Mit seinem hell strahlenden Tenor singt er sich jedoch schnell in die Herzen des Publikums. Spätestens bei „Komm, Zigan, komm, Zigan, spiel mir was vor“ hat er das Pirmasenser Publikum überzeugt, das kräftig applaudiert und ihn mit Bravo-Rufen bedenkt. Besonderen Gefallen findet bei den Pirmasensern das Paar Anete Liepina, die Tassilos Schwester Lisa spielt, und Stefan Reichmann als Baron Zsupán. Voller Esprit durchbrechen die Sopranistin und der Tenor mit ihrer Charlston-Step-Slapstick-Mischung den stilistischen Rahmen und ziehen das Publikum in eine ganz andere Welt. Im Grunde nimmt schon der musikalische Prolog unter dem energisch konkreten Regime des Dirigenten Laszlo Gyükér die bewegte Handlung der Operette vorweg. Die wechselnden Tempi kündigen das Gefühlschaos der Liebenden an. Aber auch das Happy End ist gleich im zweiten Akt abgebildet. Durch die Gemäldeporträts in einem luxuriösen Raum des Schlosses im zweiten Akt, die eine rote Schönheit und einen blonden Jüngling abbilden. Vor diesen Requisiten lässt der Regisseur die Protagonisten Platz nehmen, um Mariza und Tassilo lebendig zu spiegeln. Was besonders gut ankommt, sind die Kostüme von Lucya Kerschbaumer. Treten drei tanzende Paare im ersten Akt in ungarischer Tracht auf, sind die Damen im zweiten Akt in weißen Tüll gekleidet, durch den sie nur so über die Bühne zu schweben scheinen, bevor sie durch den choreografischen Gedanken von Enrico Juriano im dritten Akt als Cancan-Tänzerinnen zurückkehren und farbenfroh mit schrillen Rufen das Publikum in die Handlung miteinbeziehen. Der Operetten-Abend erweist sich als voller Erfolg. Heinz Hellberg gelingt mit seiner Inszenierung wieder einmal eine Operette der Leidenschaft, die Champagner, Tanz und die Musik der Zigeuner verbindet. Die Pirmasenser genießen den Abend in vollen Zügen, der Gräfin Mariza sei dank.

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