Mainz Corona: Biontech-Impfstoff bietet mehr als 90-prozentigen Schutz

Biontech und der Pharmariese Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung für ihren Impfstoff beantragen.
Biontech und der Pharmariese Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung für ihren Impfstoff beantragen.

Sehnsüchtig wartet die Welt auf einen Corona-Impfstoff. Als erstes westliches Unternehmen legt der deutsche Hersteller Biontech Zwischenergebnisse einer großen Studie vor. Wie ist es um die Wirksamkeit bestellt? Und gibt es Nebenwirkungen?

Erstmals gibt es zu einem für Europa maßgeblichen Corona-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Das Mainzer Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer teilten am Montag mit, ihr Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden. Biontech und der Pharmariese Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen.

In „Lichtgeschwindigkeit“ zum Impfschutz

Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt „Lighspeed“ (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die Ergebnisse werden den Angaben zufolge erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen in diesem Jahr

Für den Corona-Impfstoff gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen. Ein solches Rolling-Review-Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca bereits vor einiger Zeit für seinen Impfstoff-Kandidaten gestartet. Astrazeneca hat bisher noch keine Phase-III-Daten veröffentlicht. Zum Zeitplan dafür lasse sich noch nichts sagen, teilte eine Sprecherin am Montag mit.

Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitstellen zu können, da RNA-Impfstoffen wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.

Biontech will eine „faire Verteilung“ der Dosen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, er gehe von einer parallelen Beantragung der Zulassung bei FDA und der europäischen Arzneimittelbehörde EMA aus. Als deutscher Gesundheitsminister wolle er erreichen, dass ein Impfstoff eines deutschen Unternehmens „nicht zuerst in anderen Ländern zur Verfügung steht“. Auch von Biontech hieß es, die vorhandenen Dosen sollten „fair“ verteilt werden. Es werde nicht „ein Land alles erhalten“.

Für den Fall der Zulassung macht Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing Hoffnung auf einen raschen Impfstart: „Wenn dieser Schritt erfolgen wird, könnte in der Tat bereits Ende 2020 eine Impfwelle anrollen.“ Die vorgestellten Ergebnisse seien ein „Silberstreifen an dem sonst so düsteren Horizont“. Der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York nannte die Bekanntgabe die „beste Nachricht“ für ihn seit Beginn der Pandemie.

Noch keine Informationen wie lange Impfschutz anhält

Der Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln sprach von „großartigen und vielversprechenden Daten“. „Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen, und ich hoffe, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden.“ Allerdings gaben Experten auch zu bedenken, dass die Daten zunächst nur aus einer Pressemitteilung stammen und nicht aus einer wissenschaftlichen Publikation. So fehlten etwa Informationen zum Schutzeffekt in bestimmten Altersgruppen und dazu, wie lange ein Impfschutz anhält.

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einem bislang völlig neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

EU-Kommission will 300 Millionen Dosen bestellen

Die EU-Kommission verhandelt bereits seit einiger Zeit mit Biontech/Pfizer über einen Rahmenvertrag zur Lieferung des Impfstoffs an alle EU-Staaten. Dazu gebe es aber nichts Neues, sagte ein Kommissionssprecher am Montagmittag. Bereits im September hatte die Kommission erklärt, sie wolle bis zu 300 Millionen Impfdosen von Biontech bestellen. Unterzeichnet hat sie Rahmenverträge bisher mit den Pharmafirmen Johnson&Johnson, Astrazeneca und Sanofi-GSK.

Für Corona-Impfstoffe gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der EMA können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen.

Auch Auftrieb an der Börse

Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist derzeit weitgehend offen.

Die Veröffentlichung der Zwischenresultate gab auch den Börsen Europas am Montag kräftig Auftrieb: Der Dax eroberte erstmals wieder seit Mitte Oktober die 13.000-Punkte-Marke und legte bis zur Mittagszeit um 4,6 Prozent auf 13 051,63 Punkte zu. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann 4,9 Prozent auf 3362,09 Zähler. Im vorbörslichen US-Handel stiegen die Papiere des US-Pharmakonzerns Pfizer zunächst um rund 9 Prozent, die Biontech-Papiere schnellten um rund 16 Prozent nach oben. Auch (Noch)-Präsident Donald Trump reagierte enthusiastisch. „Solch großartige Neuigkeiten!“, twitterte er in Großbuchstaben.

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