Neustadt Zu Gast beim Heiligen Martin: der Leipziger Luther

Prominente Gäste beim Konzert der Jungen Kantorei: fünf Solisten des Calmus Ensembles (rechts).
Prominente Gäste beim Konzert der Jungen Kantorei: fünf Solisten des Calmus Ensembles (rechts).

«St. Martin.» Die „Junge Kantorei St. Martin“ mit ihren Ensembles hatte zum Konzert geladen. Und zauberte bereits zum zweiten Mal mit dem Leipziger Calmus Ensemble einen fantastischen solistischen Trumpf aus dem Ärmel. Das und noch mehr gab es zu bestaunen am Freitagabend in der zum Bersten gefüllten katholischen Pfarrkirche.

Im Schatten – nein, besser: im Licht des Reformationsjubiläums, und da nicht zuletzt im alle theologischen Streitpunkte überflügelnden Segment Kirchenmusik, hat der Dialog der christlichen Konfessionen gewaltig an Fahrt aufgenommen. Dieser Konzertabend war, wollte man etwas pathetisch formulieren, ein wahres Fanal in Sachen Ökumene: Luther in Wort und Melodie allgegenwärtig, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn - die musikalischen Leuchttürme protestantischer Kirchenmusik - staatstragend im Programm und mit den fünf Calmus-Solisten, teils ehemalige „Kruzianer“ und „Thomaner“, ein sprichwörtliches „Urgestein“ evangelischer Kirchenmusik im Verbund der Ausführenden. Damit nicht genug des Staunens. Denn vor allem das großartige uneitle Zusammenwirken der prominenten Gäste mit den beteiligten Ensembles verlieh dem Abend Charisma. Umgekehrt beeindruckte die knappe Hundertschaft der bestens präparierten Laien-Ensembles durch selbstbewussten, trittsicheren Einsatz und musikalische Darstellungskraft. Ein verlässlich und einfühlsam akkompagnierendes Instrumental-Ensemble mit Julia Haufe und Angelika Bellin, Violinen, Birgit Dorndorf, Viola, Matthias Bergmann, Violoncello, Sonja Tomilio, Oboe, Klaus Wendt, Trompete, und Manfred Ochsner, Cembalo und Klavier, setzte instrumentale Akzente. Dass Ute Hormuth, die unter anderem in Rillings Bach-Akademie geschulte Ensemble-Leiterin, eine fabelhafte Chorarbeit betreibt, ist offensichtlich. Die Junge Kantorei, der Jugendchor und auch die rund 30 Stimmen starke Kinderkantorei sind da augen- und ohrenscheinlich in allerbesten Händen. Die Intonation stimmt, Artikulation und dynamische Flexibilität bringen Verve und Emphase in den Vortrag. Und Hormuths energisches, gestenreiches Dirigat beflügelt die Ausführenden zu einem stets hellwachen und zupackenden Engagement. Der Pfälzer Frühling – nun ja, just beim Besuch der Leipziger Vokalisten hat er schlapp gemacht. Was umgehend den Tenor Tobias Pöche viral nahezu außer Gefecht setzte. Daher musste das samstägliche Speyerer Dom-Konzert abgesagt werden. In St. Martin indes hielt der Patient mit professioneller Standhaftigkeit (und kleinen Programmkorrekturen) untadelig durch. Gemeinsam mit Isabel Jantschek, Sopran, Sebastian Krause, Counter, Ludwig Böhme, Bariton, und Manuel Helmeke, Bass, präsentierte Tobias Pöche eindrucksvoll, was sich in der Fachwelt beim Etikett „Calmus“ zur Zauberformel für hochnoblen Ensemble-Gesang kristallisiert hat. Ob schlichter Choralsatz (Bach: „Dir, dir, Jehova“) oder Bach-Kantate in ausgeklügeltem Arrangement (Nr. 4, „Christ lag in Todesbanden“), ob italienisches Madrigal (Gastoldi: „An hellen Tagen“) oder der verteilt im Kirchenraum inszenierte Gospelchoral des Luther-Gebets „Verleih und Frieden gnädiglich“ (Matthias Nagel) – die fünf perfekt harmonierenden und äußerst subtil gestaltenden Stimmkünstler faszinierten durch ihr Auftreten, ihre lupenreine klangliche Präsenz und ihre konzentriert nachhaltige Darstellung, die vor allem Textdeutung, farbliche Schattierung und ein wunderbares Ebenmaß im Zusammenklang beinhaltete. Und schließlich bestach auch das so selbstverständlich anmutende einvernehmliche Miteinander der Akteure vorbehaltlos. Brillante Beispiele hierfür: der Eingangschor des Bachschen Himmelfahrtsoratoriums „Lobet Gott in seinen Reichen“, etwas umarrangiert für Kinderchor und Bass-Solo (Manuel Helmeke), Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“, im musikalischen Gewand des Thomaskantors und in alternierender Korrespondenz von Calmus und Kantorei, und schließlich die souverän und klangprägnant musizierte Bach-Kantate „Der Herr denket an uns“ (BWV 196). Ganz wunderbar schließlich gelang das Hinübergleiten in die Jetzt-Zeit mit kurzem, emotionsreichem Verweilen bei Mendelssohn („Verleih und Frieden“) bis hin zu John Rutter und seiner herzwarmen Schmuse-Rhythmik („All things bright and beautiful“, „Look at the world“), die nochmals alle Akteure eindrucksvoll zum Einsatz brachte.

x