Neustadt „Wie Biene Maja auf Cortison“

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Mitter Pappnas’ jeboren, dä Dom inne Täsch, hamm wa uns jeschwo-o-ren, wir jonn unsern Wech…“ – Ja und genau das tu’ ich jetzt. Sitze gerade im ICE von Monnem nach Köln. Mit mir im Großraumwagen 150 Leute, also ungefähr so viele wie am Rosenmontag in einer 20 Quadratmeter großen Kölner Eckkneipe. Das heißt: Nicht ich sitze da, sondern ein feierfreudiges Wesen in einem schwarz-gelben Hummel-Delux-Plüsch-Kostüm, das so üppig geschnitten ist, dass die Höhner noch mit drunter passen. Ich seh’ aus wie Biene Maja auf Cortison – aber zum Schunkeln ist das Ding perfekt. Nun hat diese Narrenzeit ja verschiedene Namen: Karneval, Fassenacht oder „Hau ab mit der Scheiße“, wie mein Mann immer sagt. Aber gut: Jeder Jeck ist anders, wie die Rheinländer ja sagen. Für mich gehört die Fastnacht genauso zur deutschen Kultur wie die Lüneburger Heide, die Birkenstock-Sandale oder die Mülltrennung. Ich finde es völlig normal, wenn in diesen Tagen eine Kölner Bäckerei ein Schild an der Tür hat, auf dem steht: Weiberfastnacht und Rosenmontag sind wir dicht. Der Laden auch. Außerdem unterscheiden wir Faschingsfans uns ja gar nicht mal so sehr vom Rest der Republik. Wir sind doch alle gern an der frischen Luft und unter Leuten – egal ob beim Castor-Transport, bei Stuttgart 21 oder am Rosenmontag. Hauptsache der „Zoch kütt“, wie der Kölner sagt. Trotzdem akzeptiere ich auch, dass wir nicht alle das Gleiche lustig finden können. Wir nehmen ja auch nicht alle die gleichen Medikamente. Aber an alle, deren Stimmung an diesen Tagen durchhängt, wie eine Girlande auf einer Prunksitzung: Rund 3000 Unternehmen mit 40.000 Mitarbeitern leben bundesweit ganzjährig von Karneval und der Fassenacht. Umsatz: zwei Milliarden Euro. Das sind erstaunliche Zahlen, wenn man bedenkt, dass die Solarwirtschaft etwa die gleiche Größenordnung hat. Nur die wird mit zig Milliarden von Vater Staat subventioniert. Da soll einer noch sagen, wir wären die Jecken ... So, noch eine Stunde bis Köln. Noch kocht hier im Zug die Stimmung nicht über. Noch bin ich alleine in der Polonaise, aber einige Fahrgäste gucken schon ganz interessiert. | Anne Vogd

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