Neustadt Vom Grill ins Cockpit

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Zandvoort. Unverhofft kommt oft. Doch daran hat auch René Rast nicht gedacht, als er am Samstagabend mit Freundin Diana grillte und deren 30. Geburtstag feierte. Unerwartet kam ein Anruf von Dieter Gass, dem Leiter DTM seines Arbeitgebers Audi. Die Ansage war eindeutig. „Komm nach Zandvoort.“

Adrien Tambay konnte das zweite Rennen nicht mehr bestreiten, weil er sich bei einem unverschuldeten Startunfall an der linken Hand verletzt hatte. „Renés Einsatz hat sich aufgrund der Nähe und der Tatsache, dass wir ihn bei Audi unter Vertrag haben, angeboten“, sagte Gass. Der Grill war schnell gelöscht, Rast setzte sich mit seiner Freundin in Hannover ins Auto, beide kamen in der Nacht im Hotel direkt an der Nordseeküste an. Und legten sich für eine Stunde Schlaf ins Bett. 24 Stunden später saß Rast wieder beim Essen. Arno Zensen hatte „das halbe Fahrerlager“, so die Aussage des Chefs des Teams Rosberg, in ein Restaurant eingeladen. Anlass war der souveräne Sieg von Jamie Green. Aber auch die Leistung von Rast. „Ein großes Kompliment an René“, lobte der Rennleiter. „Er war noch nie in diesem Auto gesessen, er ist gute Zeiten im Qualifying gefahren und hat ein fehlerfreies Rennen gezeigt.“ In diese Hymne stimmte auch Wolfgang Ullrich ein. „Wieder einmal überzeugt hat mich René: Der kurzfristige Einsatz war für ihn eine Herausforderung“, sagte der Audi-Motorsportchef, „aber er hat mich genauso beeindruckt wie in den anderen Meisterschaften. Ich hoffe, er hatte auch etwas Spaß.“ Natürlich hatte den der 29-Jährige. Doch ganz so einfach war die DTM-Premiere dann doch nicht für den Mindener. „Um 7 Uhr war ich an der Rennstrecke, von da an hat sich Meeting an Meeting gereiht“, erzählt er. Es ging um Strategie in Qualifying und Rennen. Er hatte viele Fragen: Wie lange halten die Reifen? Wo muss ich bremsen? Wo ist das Limit? Wie schnell kann ich durch die Kurve fahren? Wie läuft ein Start ab? Aber es ging auch um ganz profane Dinge. „Es gibt so viele Knöpfe und Schalter im Auto“, berichtet Rast, deren Funktion er sich erklären lassen musste. „Ich habe versucht, so viel wie möglich zu lernen“, sagt er und lobt die Geduld, die Francesco Nenci, der Technische Direktor beim Team Rosberg, und sein Renningenieur Karl Jennings hatten. „Dann hat es, als ich allein im Auto saß, doch nicht richtig geklappt, weil ich den ersten Gang nicht gefunden habe“, erzählt der Rennfahrer. Und lacht. Die Hilfe kam per Funk. Natürlich benötigte er auch noch einen auf ihn angepassten Sitz. Dabei unterlief ihm ein Fehler. „Ich saß etwa drei Zentimeter zu tief im Auto, habe nach vorne fast nichts gesehen.“ Zum Glück kannte er den Kurs noch aus seiner Zeit aus dem Porsche Carrera-Cup, den er dreimal gewonnen hat. Verschiedene Autos zu fahren, ist der Audi-Werksfahrer gewohnt. Noch vor einem Jahr war er in einem R18 e-tron quattro in Le Mans Siebter geworden, in dieser Saison ist der GT-Master-Champion 2014 schon im GT3-Renner R8 und der Formel E gefahren. Ansonsten ist die Klasse LMP2 in der Langstrecken-WM sein Beschäftigungsfeld, am Wochenende beim Sechs-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Nach 30 Minuten Training und 20 Minuten Qualifying kam schon das Rennen. Als 22. des Zeittrainings konnte er noch zwei Konkurrenten hinter sich lassen. „In der zweiten Rennhälfte ist der Groschen gefallen, wie ich das Auto zu bewegen habe. Die Zeiten wurden immer besser, im zweiten Sektor war ich schnellster Audifahrer“, sagt Rast voller Stolz. Immerhin hatte er auch richtig reagiert, als Spitzenreiter Jamie Green hinter ihm auftauchte. Seinem Team-Kollegen machte er umgehend Platz, die ihn verfolgenden Mercedes-Piloten Robert Wickens und Christian Vietoris hielt er ein wenig auf. Nicht unfair, aber hilfreich. Auf Platz 18 wird er in der Ergebnisliste geführt. „Das hört sich auf jeden Fall besser an als Vorletzter von denjenigen, die ins Ziel gekommen sind“, sagt Rast. Gibt es nach dem gelungenen Debüt für Rast eine Zukunft in der DTM? „Es hat definitiv viel Spaß gemacht“, sagt er. Und was sagt der Audi-Verantwortliche Gass? „René hat nur wenig Input gebraucht und sich sehr achtbar aus der Affäre gezogen.“ Eine generelle Absage hört sich anders an.

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