Neustadt Viermal drei macht zwölf

Neustadt. Gerade sind sie von einer Südamerika-Tournee zurück, mit Auftritten in Peru und Kolumbien, und in Kalifornien und Vancouver haben sie dieses Jahr auch schon gespielt – trotzdem findet das „Mandelring Quartett“ auch immer noch Zeit und Lust für Konzerte in der Heimat: Vier Auftritte haben die Neustadter Spitzenmusiker im Herbst-Winter-Halbjahr wieder in ihrer Kammermusikreihe im Saalbau geplant, das erste mit zweimal Beethoven und einmal Schostakowitsch am 19. Oktober.

„Musik im Spannungsfeld“

ist der Titel dieses Auftaktkonzerts, und gemeint ist damit, wie Jörg Sebastian Schmidt, der „Vater“ des Quartetts erläutert, die Spannung zwischen äußeren und inneren Lebensumständen der Komponisten. Wie auch bei zwei der drei folgenden Terminen der Reihe kombinieren die Geschwister Schmidt zusammen mit ihrem Partner Roland Glassl an der Viola auch bei diesem zwei Stücke aus dem beim Publikum so beliebten klassisch-romantischen Repertoire mit einem modernen. Allerdings darf man auch bei Beethovens 1810 entstandenen düster-dramatischen Streichquartett op. 95 in der Grundtonart f-Moll keine falsche Lieblichkeit erwarten. Geradezu schroff seien einige Passagen, charakterisiert Schmidt dieses Werk, in dem der Komponist wohl sehr bekenntnishaft die unglückliche Liebe zu der Arzttochter Therese Malfatti verarbeitet hat, die kurz zuvor seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Ein privates Bekenntnis, seine Unzufriedenheit, als Aushängeschild des Sowjetregimes missbraucht zu werden, wird auch von einigen Interpreten mit Schostakowitschs 1964 binnen nur elf Tagen entstandenem Streichquartett Nr. 10 As-Dur op. 116 in Verbindung gebracht. „Unheimlich brutal“ sei vor allem der zweite Satz, so Schmidt, der hier auch das berühmte Zitat des russischen Komponisten wiedergibt, der gesagt haben soll: „Ich habe furchtbare Angst, dass meine Musik verstanden wird.“ Komplettiert wird das Auftaktkonzert durch Beethovens Quartett Es-Dur op. 127, das erste in der Reihe der fünf letzten Streichquartette des Komponisten, die nach allgemeiner Einschätzung den Gipfel der Streichquartettliteratur überhaupt darstellen. „Klanggemälde – Seelenlandschaften“ ist der Titel des zweiten Konzerts der Reihe, bei dem am 2. Dezember Werke von Haydn, Smetana und dem zu Unrecht vergessenen Brahms-Freund Friedrich Gernsheim erklingen. Die psychologische Komponente kommt dabei besonders bei Smetanas Streichquartett Nr. 1 e-Moll zum Tragen, das den Beinamen „Aus meinem Leben“ trägt und unter anderem den Hörsturz verarbeitet, den der Komponist kurz zuvor erlitten hatte. . Von Haydn, dem Schöpfer der Gattung, erklingt an diesem Tag das „Lerchenquartett“ in D-Dur op. 64/5, von Gernsheim das Quartett a-Moll op. 31, das das „Mandelring Quartett“ bereits vor zehn Jahren in seiner CD-Reihe „Brahms und Zeitgenossen“ eingespielt hat. Der Cellist Alexander Hülshoff, künstlerischer Leiter der Landesstiftung Villa Musica und Professor an der Folkwang-Universität der Künste in Essen, ist dann am 17. Februar Partner der „Mandelringer“ beim dritten Konzert der Reihe, das denn auch den Titel „Mandelring plus“ trägt und zwei Schubert-Werke mit Strawinskijs nur wenige Minuten dauernden „Drei Stücken für Streichquartett“ kombiniert. Hülshoff stößt bei Schuberts genialem Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli C-Dur D 956 dazu, von dem der Musikkritiker Joachim Kaiser sagte: „Vor dem C-Dur-Quintett verneigen sich alle Menschen, denen Musik etwas bedeutet, glücklich bewundernd – oder sie schwärmen.“ Außerdem ist von Schubert an diesem Tag das populäre „Rosamunde-Quartett“ a-Moll D 804 zu hören. Das „Mandelring Quartett“ beweist mit diesem Termin übrigens auch, dass es sich keine Sorgen wegen etwaiger semikultureller „Konkurrenzveranstaltungen“ macht, denn der 17. Februar ist der Faschingsdienstag. „Aus drei Jahrhunderten“, dem 18., 19. und 20. nämlich, stammen dann die Quartette, die zum Abschluss der Saison am 19. April im Saalbau auf dem Programm stehen. Es handelt sich um ein Frühwerk von Mozart in G-Dur (KV 156), das zweite der so genannten „Italienischen Quartette“, die das Wunderkind wohl 1772/73 auf seiner dritten Italienreise schuf, um Schostakowitschs fast zeitgleich mit Nr. 10 im Jahr 1964 entstandenem Quartett Nr. 9 Es-Dur op. 117 und um das erste der drei 1842 entstandenen Streichquartette von Robert Schumann, das in a-Moll op 41/1, „ein Musterbeispiel romantischer Kompositionsweise“, wie Jörg Sebastian Schmidt urteilt. Während der inhaltliche Rahmen mit je drei Werken an vier Abenden also seit der Gründung der Reihe im Jahr 2010 immer gleichgeblieben, gibt es in der fünften Spielzeit aber immerhin eine kleine praktische Veränderung: Auf Wunsch einiger Kammermusikfreunde aus Karlsruhe werden die beiden Dienstagskonzerte am 2. Dezember und 17. Februar um eine halbe Stunde vorgezogen und beginnen also bereits um 19.30 Uhr. Damit erwischen die „Mandelring“-Fans aus dem Badischen besser ihren Zug für die Heimfahrt.

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