Neustadt Trumps Knie, Dopps Solo, Fellhauers Getränk

Wer weiß, vielleicht war Peter Trumps kleine Provokation ja die entscheidende Portion Motivation für seine Feldhockey-Kollegen von der TG Frankenthal. Denn als die Mannschaft kurz vor Pfingsten 1984 ihr Hotel in Barcelona bezog – von wo aus es dann immer zu den Spielen nach Terrassa ging, da schauten sich alle erst einmal genau um. Und jeder entdeckte natürlich die Dachterrasse des Bettenbunkers samt Schwimmbad. „Peter hat uns dann alle angeschaut und gerufen: Wenn ich einen von euch hier oben erwische, ist was los. Wir sind Leistungssportler und für den Europapokal hier.“ Als Gerhard Metzler das beim RHEINPFALZ-Gespräch zur Erinnerung an den Europapokaltriumph erzählt, lachen alle in der Runde. Auch Peter Trump. Denn die Geschichte ist noch nicht fertig. Eigentlich war Trumps Wort schon so etwas wie ein Gesetz im Team, da er ja ein absolutes Aushängeschild war. Metzler verrät die Pointe: „Als wir dann nach dem ersten Spiel wieder im Hotel waren, haben wir gesagt, komm’ wir schleichen uns mal kurz hoch. Und wer liegt da breit in der Sonne: Peter Trump.“ Noch mehr Gelächter am langen Tisch in der Jahnstube in Frankenthal. Denn von da an war die Poolrunde nach jedem Spiel Pflicht. Samt dem Zaubertrank von Masseur Günter Fellhauer. Er versorgte die Spieler in der Hitze von Terrassa aus einer Extra-Box mit isotonischen Getränken. Als Fellhauer nach besagtem 4:3-Auftakterfolg auch noch mit dieser Box auf der Dachterrasse erschien, ging ein Raunen durch die TG-Truppe: „Was willst du denn mit dem Zeug?“, haben wir gerufen, erinnert sich Mario Amato. Doch Fellhauer grinste nur und meinte: „Probiert mal.“ Von wegen isotonischer Inhalt, in der Box war nun Lumumba – ein Cocktail. „Er hat das extra im Nachbarhotel besorgt“, sagt Amato. Die „dritte Halbzeit“ war damit komplett und möglicherweise der Grundstein für diesen nicht für möglich gehaltenen Erfolg. Die TG war zwar 1983 deutscher Feldmeister geworden, doch in der aktuellen Bundesligasaison wollte es nicht so recht laufen. Daher hatte der Deutsche Hockey-Bund etwas Bammel. „Die machten schon Druck, wir durften nicht absteigen. Das war die Maßgabe“, erinnert sich Ulrich Hineschied. Im Achterfeld galt es also, Rang fünf zu schaffen, damit der Deutsche Meister weiterhin im Elitekreis der nationalen Titelträger mitmischen durfte. Dass die Frankenthaler damals in Rheinland-Pfalz eine echte Hausnummer waren und ihr Sport auch Massen interessierte, zeigte, dass auch ein Radioreporter und zwei Fernsehteams (Südwestfunk und Erstes Privates Fernsehen) die Reise nach Barcelona und Terrassa antraten. Fans kamen natürlich ebenfalls mit. Zwei Tage dauerte die Anreise per Bus, während die Spieler fliegen durften. Auftaktgegner in der Reihe von vier Spielen in vier Tagen bei 30 Grad war der HC Eur Spei, der italienische Meister aus Rom. „Wir haben die unterschätzt, das war sehr schwer“, erinnert sich Heiner Dopp, seit 14 Jahren Bürgermeister in Meckenheim, an das 4:3. Vor allem auch, weil es bei den zwölf Strafecken nicht lief, und die ersten Versuche von Reinhart Lange einfach nicht ins Tor fanden. Die Rettung: Peter Trump durfte dann schießen und ebnete mit seinen vier Toren den Weg zum Sieg, obwohl die TG schon 1:3 zurücklag. „Ja, mein Schoppe“, erinnert sich Peter Trump an die erfolgreichen Schüsse mit seinem Lieblingsschläger, der deswegen auch einen Spitznamen bekam. Am nächsten Tag lieferte die TG ihr Glanzstück ab, bezwang den großen Favorit Klein Zwitserland aus Den Haag mit acht niederländischen Nationalspielern mit 2:1. „Das war sensationell, unser bestes Spiel“, betont Gerhard Metzler. „Die hatten uns am Tag davor gesehen und uns deshalb unterschätzt“, sagt Dopp beim Rückblick grinsend. Die Tür zum Finale stand damit weit offen. Da es kein Halbfinale gab, durfte man nur nicht im letzten Gruppenspiel gegen den englischen Meister Neston HC verlieren. Das 1:1 war eng und umkämpft. „Es hat ja gereicht“, so Dopp. Dann der Pfingstmontag, 11. Juni. Im Endspiel ging es gegen Uccle Sport Brüssel. Frankenthal legte eine 2:0-Führung durch eine Lange-Ecke und einen Siebenmetertreffer von Heiner Dopp vor. Doch Brüssel verkürzte, ehe Heiner Dopp „mit einem sensationellen Solo“, wie Thomas Hahl schwärmt, für die 3:1-Entscheidung sorgte. Brüssel kam zwar noch mal heran, aber es reichte. „Ich habe Heiner Dopp nie so stark gesehen wie in diesem Spiel“, sagt Betreuer Giovanni Vicca rückblickend. Er war mit der Meinung nicht allein: Denn Dopp wurde zum besten Spieler des Turniers gekürt. „Ich habe ja viel erlebt, aber das war das Schönste“, so Vicca. Denn die Ergebnisse lesen sich so nüchtern, doch dahinter stecken einige Turbulenzen. Es ging schon beim ersten Spiel mit dem „Sockenkrieg“ los, erzählt Thomas Gunst. Die TG hatte grüne Stutzen gemeldet, ging aber mit weißen auf den Platz gegen Rom. Fast hätten die Frankenthaler deshalb nicht spielen dürfen: zu große Ähnlichkeit mit dem italienischen Dress, so das offizielle Argument. Klein-Zwitserland lieh der TG rote Stulpen – nichts ahnend, dass die Pfälzer am nächsten Tag zum Stolperstein werden würden. Die Frankenthaler wiederum kauften sich am Abend noch dicke „smaragdgrüne Wollsocken“, sagt Thomas Gunst grinsend – sie schwitzten so zwar doppelt, durften ihren Triumphzug aber fortsetzen. Noch schlimmer für die Mannschaft: Peter Trump verletzte sich im zweiten Spiel und konnte die letzten beiden Partien nicht mitmachen. Sein kurz zuvor operiertes Knie wurde dick, es war nichts zu machen. „Das war ganz neu für mich. Aber die Teamleistung, die Einstellung und der Wille der Truppe waren sensationell. Und ohne die Leistung der anderen zu schmälern: Heiner war fantastisch. So habe ich ihn nie gesehen“, zieht Peter Trump den Hut vor den Kollegen. Dopp kontert das Lob trocken und lachend: „Du warst verletzt, da bekam ich auch mal einen Ball.“ Die Truppe steckte im Endspiel dann auch noch den verletzungsbedingten Ausfall von Gerhard Metzler weg, Mario Amato durfte als Senior ran. Dass man diese Nackenschläge alle weggesteckt habe, habe das Team 1984 ausgezeichnet. „Es war einfach eine echte Mannschaftsleistung“, sagt Metzler. Beim Endspielabpfiff kannte die Freude keine Grenzen mehr. Am Abend feierten Mannschaft und Fans in einem Lokal in Barcelona. Nicht dabei: Peter Trump. „Ich konnte nicht laufen.“ Er bekam Besuch von einem russischen Spieler im Hotelzimmer. „Er hatte Wodka und Speck dabei. Ich habe zweimal getrunken, dann war ich weg“, erinnert sich Trump. Dann die große Rückkehr nach Frankenthal. Per Bus ging es vom Frankfurter Flughafen in die Stadt, dort der Wechsel auf ein Elektrobähnel und mit diesem rein zum rappelvollen Rathausplatz. „Dieser Empfang war sensationell. Ich habe die Stadt nie wieder so erlebt“, betont Thomas Hahl. Alle feierten die Hockeyspieler, die tagelang Einladungen und das silberne Lorbeerblatt vom Bundespräsidenten bekamen. Das ist die höchste Sportler-Auszeichnung. Als ganz junge Spieler waren Michael Kohl und Torsten Reiss dabei. „Ich hatte sonntags davor abends beim Strohhutfest erfahren, dass ich mitfahren soll“, erinnert sich Kohl, damals 16. Reiss bekam für seine Leistung in der Verteidigung viel Lob: „Ich war 18 Jahre alt und Stammspieler geworden. Mit Gerhard Metzler habe ich viel Extra-Training gemacht. Wir haben uns für das Ziel gequält.“

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