Neustadt Radfahrer und Pazifisten

Neustadt. Manchmal einfach und seicht, manchmal brutal und knallhart. Michael Frowin, der in die Rolle des Chauffeurs der Kanzlerin geschlüpft ist, kann beide Seiten. Am Samstag war der Kabarettist zu Gast beim Kleinkunstverein Reblaus in Neustadt. Und er plauderte über mehr als nur aus dem Nähkästchen von Dr. rer. nat. Angela Merkel.

Michael Frowin in adrettem Anzug bringt ein rosa Kindertagebüchlein mit auf die Reblaus-Bühne. Es gehört seiner Chefin. Nein, natürlich werde er da nicht hineingucken, versichert er Kanzleramtsminister Peter Altmaier, der sich prompt via Handy bei dem Fahrer rückversichert. Empört betont er: „Das gehört sich doch nicht.“ Später gibt er dann aber doch seiner Neugier nach, sich herausredend, dass da sowieso nichts stehe, was die NSA nicht schon längst wisse. Zunächst aber erzählt der Chauffeur, wie seine Chefin „so privat ist, das interessiert die Leute am meisten“. Ob es auch das Reblaus-Publikum interessiert, sei dahin gestellt. Denn Frowin reiht – in der Rolle der Chauffeurstante Elsa – einfach nur die altbekannten Gemeinplätze aneinander, angefangen von dem tief dekolletierten Kleid, das Merkel in Oslo trug, über die Funktionsjacken, die sie und ihr Mann im Urlaub anhaben, ihre Besuche im Fußballstadion – Klatschmodus und Gespräch mit den Nationalspielern inklusive –, bis hin zu ihrem Lieblingsgericht Kartoffelsuppe. Merkel habe eine Vorliebe für Pinguine, ein Faible für alles Niedliche: wieso sonst sollte sie Phipsi Rößler adoptiert haben, findet Frowin; und der nächste in der Reihe werde wahrscheinlich Heiko Maas sein. Frowin gibt nicht nur Unwesentlichkeiten von sich. Wer nicht genau hinhört, dem entgehen seine mitunter fröhlich verpackten, aber umso herberen Kritiken. Da werfe der amerikanische Außenminister Kerry Russland vor, in der Ukraine Völkerrecht zu brechen. Ob der wohl vergessen habe, wo die USA in jüngster Zeit überall einmarschiert seien? Und so empfiehlt der Kanzler-Fahrer Putin, sich einfach um den Friedensnobelpreis zu bemühen. Denn wer den habe – siehe Obama – dürfe das Völkerrecht unbehelligt brechen. Noch wichtiger, meint er, sei aber die Darstellung: Auch Schröder habe im Kosovo das Völkerrecht gebrochen, jedoch nie von Krieg geredet, sondern erklärt, dass „dort eine friedliche Lösung mit militärischen Mitteln gesucht wird“. Es geht noch mehr. Zynisch klingt es, als der Chauffeur Merkel Humor attestiert; den habe sie bewiesen, als in Rostock die Werft zu schließen drohte und sie den Arbeitern mitgeteilt habe, dass sie zwar keine Hilfe zu erwarten hätten, aber eine tolle Truppe seien. In die Figur eines PR-Managers geschlüpft, vergleicht er den ADAC mit der NRA, der National Rifle Association in den USA. Die ersten träten für freies Rasen ein, die zweiten für freien Waffengebrauch. Die Folgen ähnelten sich mitunter. Das Feindbild des einen sei der Radfahrer, das des anderen der Pazifist. Ob SUV-Fahren – klar die Neunjährige muss mit einem solchen Auto zum Flötenunterricht gebracht werden, unterwegs könnte ja ein Bison angreifen – oder Fracking, mit dem Shell und Konsorten den Erdball endgültig in den Ruin treiben, Frowin legt die Finger in viele Wunden, nicht ohne zu betonen, dass die Konsequenzen den meisten völlig egal seien. Revolution in Deutschland? Keine Chance. Der Deutsche geht erst einmal in den Baumarkt, um einen Preisvergleich für Wurfgeschosse anzustellen. Barrieren kauft er bei Ikea, die mit dem Spruch werben: „Schraubst du noch oder kämpfst du schon? Dabei, findet Frowin, gebe es genug Gründe für einen Aufstand. Und unter der Überschrift „Es ist Frühling in Deutschland“ listet er die Missstände: Da werden für 7 oder 8 Millionen Euro Waffen und Panzer in die Krisenregionen geliefert, wie geht das? Na weil „Krauss-Maffei Wegmann“ Merkels Wahlkampf bezahlt hat. Detailliert dröselt er den „Trottelkreis“ bei der Edathy-Affäre auf. Merkel habe nichts gewusst, das sei auch besser so, habe Kauder gemeint. Hartz-IV-Betrügerei mache etwa 70 Millionen Euro aus, Steuerhinterziehung aber 100 Milliarden Euro. Frowin wörtlich: „Wenn Heuchelei Rollstuhl fahren würde, müsste Schäuble bergauf bremsen.“ Die ungerechte Verteilung des Kapitals, die Skrupellosigkeit mancher Wirtschaftsbosse und nicht zuletzt die Augenwischerei, erzeugt durch wilde Zahlenjonglage, sind ihm arge Dornen im Auge. Ganz zu schweigen von der ewig geforderten „Political Correctness“: Witze gegen Frauen, Juden, Polen oder Behinderte? Geht gar nicht! Ja, der Chauffeur der Kanzlerin hat viel Zeit, sich Gedanken zu machen. Und die hat er redlich genutzt, um allen, darunter auch jenen, die seine Chefin gewählt haben, den Spiegel vorzuhalten. Zumindest die, die in der „Reblaus“ waren, bedankten sich mit kräftigem Applaus.

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