Neustadt Neustadt: Fragen und Antworten zum Raab-Karcher-Gelände

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Erneut gibt es eine Diskussion über den Neubau von Häusern im Osten der Stadt.

Alle drei Oberbürgermeister-Kandidaten lehnen die fertigen Pläne für das Raab-Karcher-Gelände ab. Fragen und Antworten zu einem Projekt, das nicht neu ist, aber in Vergessenheit geraten war. Was ist der Auslöser für die Diskussion? Heute vor einer Woche verschickte die Deutsche Reihenhaus AG eine Pressemitteilung zum Wohnpark „Am Speyerbach“. Der Bauträger aus Köln kündigt an, für 5,8 Millionen Euro auf dem ehemaligen Raab-Karcher-Gelände 20 Reihenhäuser zu bauen. Ein 120-Quadratmeter-Haus soll inklusive Grundstück 240.000 Euro kosten, das 140-Quadratmeter-Haus 260.000 Euro. Wie sind die Reaktionen? Bürgermeister Ingo Röthlingshöfer (CDU), in Personalunion auch einer der beiden Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft, lehnt das Projekt ab. Durch die Wohnbebauung auf dem Ibag-Gelände und die Pläne für das Sulo-Grundstück vertrage Branchweiler im Bezug auf die Verkehrswege und die Infrastruktur mit Schulen und Kindergärten keinen weiteren Zuzug. Die im Jahr 2013 gefassten Beschlüsse für das Gelände müssten aufgehoben werden, weil sie durch die Entwicklung überholt seien. „Das darf jetzt nicht einfach genehmigt werden. Der Bauausschuss muss sich klar positionieren“, so Röthlingshöfer. Was sagt die Opposition? Der SPD-Vorsitzende Pascal Bender versteht nicht, warum der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für das Gelände nicht fortgeführt wurde. Er kritisiert, „dass sich die Verwaltung einmal mehr das Handeln durch Investoren aus der Hand nehmen lässt“. Der Bauausschuss sei nicht informiert gewesen. Bender hat am Freitag einen Eilantrag an die Stadt gestellt, das Thema auf die Tagesordnung der Bauausschusssitzung vom kommenden Donnerstag zu setzen. Auch Marc Weigel von den Freien Wählern sieht das Thema kritisch: „Wir haben kein Konzept und keine klare Linie bei der Stadtplanung. Sollten diese Häuser gebaut werden, bekommen wir zum Beispiel mit dem Ibag-Tunnel ein Nadelöhr. Verkehrstechnisch ist Branchweiler darauf nicht vorbereitet. Kritik kommt von den drei Oberbürgermeister-Kandidaten Röthlingshöfer, Bender und Weigel. Was sagt der amtierende Oberbürgermeister Hans Georg Löffler? Die Verwaltung führe lediglich einen Auftrag aus, den ihr der Stadtrat im Dezember 2013 erteilt habe, so Löffler. Damals sei von einem Verhältnis 70:30 für Wohnen und Gewerbe ausgegangen worden. Er könne die Aufregung deshalb nicht nachvollziehen. Was hat der Stadtrat 2013 beschlossen? Die Verwaltung hielt damals eine ganzheitliche gewerbliche Nachnutzung für ausgeschlossen, weil das Grundstück von drei Seiten durch Wohnbebauung begrenzt ist. Der Grundstückseigentümer wollte nach dem Umzug von Raab-Karcher ins Gewerbegebiet Naulott-Guckinsland eine reine Wohnnutzung, was die Stadtplanung ablehnte. Man strebe eine Mischnutzung für das gesamte Roßlauf-Areal an, hieß es in der Vorlage für die Stadtratssitzung. Um dies im Detail zu regeln, wurde mit den Stimmen von CDU, FWG, Grünen und des Oberbürgermeisters die Aufstellung des Bebauungsplanes „Südlich der Merowingerstraße“ beschlossen. Die SPD und der Pirat stimmten damals mit Nein, die FDP enthielt sich. Was sagt Stadtplaner Bernhard Adams? „Nachdem klar war, dass eine reine Wohnbebauung politisch nicht gewollt war und der Grundstücksbesitzer keinen Gewerbebetrieb präsentieren konnte, haben wir das Verfahren zweieinhalb Jahre ruhen lassen“, so der Abteilungsleiter. Es sei wenig sinnvoll, an Bebauungsplänen zu arbeiten, wenn danach keine Umsetzung erfolge. Die Ziele eines Bebauungsplans könnten stets nur im Dialog mit dem Grundstücksbesitzer umgesetzt werden. Man habe dies als „Geschäft der laufenden Verwaltung“ betrachtet, erklärt Adams, warum das Thema nicht wieder in die Gremien getragen wurde. Dann habe der Grundstücksbesitzer auf Drängen der Stadt aber einen Gewerbebetrieb gefunden und eine Aufteilung 60:40 zugunsten von Wohnen vorgeschlagen. Da dies genau den Vorgaben des Stadtrates entsprochen habe, seien den Investoren positive Signale ausgesendet worden. Aus Gründen der Vereinfachung und der Beschleunigung habe man darauf verzichtet, das Bebauungsplanverfahren wieder aufzugreifen, sondern habe die Vereinbarung über eine Baulast im Grundbuch festgeschrieben. Das habe die gleiche Wirkung und koste weniger Zeit und Geld. Das Vorhaben solle nun über Paragraf 34 ermöglicht werden. Demnach sind Neubauten zulässig, wenn sie sich in die nähere Umgebung einfügen. Adams erinnert daran, dass sich die Verwaltung schon beim benachbarten Opel-Holz-Gelände erfolgreich gegen eine Wohnbebauung gewehrt habe. Auch die Insolvenz der Firma Grüner in dem Gebiet könne dazu führen, dass eine Nutzungsänderung beantragt werde. Im Hinblick auf das Sulo-Gelände bleibe es bei der Vereinbarung, dass eine Projektgruppe unter seiner Leitung gemeinsam mit den Kollegen des Sozial- und des Schulamtes eine Übersicht über alle Projekte in dem Stadtteil erstelle, die zu einer Infrastrukturnachfrage führen könnten. „Erst wenn dieses Ergebnis vorliegt, steht ja eine Entscheidung im Hinblick auf Sulo an“, so Adams. Was sagt die Deutsche Reihenhaus AG? Pressesprecher Achim Behn teilt mit, dass man im Dezember den Bauantrag stellte und noch ein Schallschutzgutachten angefordert worden sei. Das sei Ende Januar nachgereicht worden. Die Neustadter Stadtverwaltung habe mehrmals Zustimmung signalisiert, sonst hätte man nicht mit der Vermarktung der Wohnungen begonnen. Man habe schließlich lange nach einem Partner gesucht, der den Gewerbeanteil übernehme und damit die Forderungen der Stadt erfüllt. Eine Veränderungssperre sei gar nicht möglich, da es keinen Bebauungsplan für das Gelände gebe. Die Deutsche Reihenhaus AG übernehme die Altlastenentsorgung und entsiegele große Teile der Brachfläche. „Das wird dann viel grüner als vorher“, so Behn. Man wolle jungen Familien bezahlbaren Wohnraum bieten, was in Neustadt sehr selten sei. Die Nachfrage nach den Häusern sei sehr groß. Geplanter Baubeginn sei Sommer 2017, Fertigstellung in der ersten Jahreshälfte 2018. Wer ist der Gewerbepartner des Bauträgers? Nach RHEINPFALZ-Informationen will die Firma Automobile Schneider Teile des Geländes übernehmen. Sie hat derzeit ihren Sitz im Gewerbegebiet Altenschemel in Lachen-Speyerdorf. Wie geht es weiter? Die Bauverwaltung will in der Bauausschusssitzung am Donnerstag ausführlich ihren Standpunkt erläutern. Rein rechtlich dürfte das Vorhaben wohl nicht mehr zu verhindern sein. Das Gelände ist im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen.

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