Neustadt Neustadt: Die besondere Buchhandlung

Jeanette Jung in der Buchhandlung „Quodlibet“, die sie zusammen mit Frank Schwarz und Gerold Belzner betreibt.  Foto: Linzmeier-
Jeanette Jung in der Buchhandlung »Quodlibet«, die sie zusammen mit Frank Schwarz und Gerold Belzner betreibt.

Inhabergeführt: Aus Idealismus, Ideenreichtum und Eigeninitiative ist vor über 30 Jahren die Buchhandlung „Quodlibet“ entstanden. Dabei wollten die drei Eigentümer eigentlich ein Kino eröffnen.

Im Buchhandel geht es auch um das richtige Näschen für künftige Trendsetter. Für Literatur, die nicht nur Intellektuelle begeistert, sondern auch den „normalen“ Leser. Ein solches Buch ist für Jeanette Jung „Der Drachenläufer“ von Khaled Hosseini. Sie las es 2003 im Urlaub und war restlos begeistert. Sie empfahl es ihren Kollegen im Neustadter Buchladen „Quodlibet“, noch bevor das Werk millionenfach gekauft und gelesen wurde.

„Es geht dabei um Schuld, Sühne und Vergebung. Mir gefiel das Buch einfach, aber ich hätte nicht erwartet, dass es so erfolgreich wird“, erzählt Jung. Sie gehört zum Gründertrio von „Quodlibet“ und hatte wie ihre Freunde Frank Schwarz und Gerold Belzner zunächst noch nichts mit Neustadt am Hut, als sie 1987 von einer gemeinsamen Geschäftseröffnung träumten. Die drei kannten sich aus Guntersblum und waren schon in der Grundschule befreundet. Als Jugendliche hatten sie dort ein selbstverwaltetes Jugendzentrum „ganz ohne Sozialarbeiter“ geschultert, wie Jung erzählt.

Neustadt bot die besten Bedingungen

Das Trio, heute zwischen 55 und 56 Jahre alt, wollte im Berufsleben andere Wege gehen. Geprägt von der politischen Stimmung in den 1980er-Jahren, mit einem Aufbruch in neue Denkweisen und gegen konservative politische Strömungen, schwärmten die drei Freunde zunächst von einem Kinoprojekt. „Doch das wäre nicht tragbar gewesen, wir hatten kein Kapital“, erinnert sich Jung. Schwarz, der eine Buchhändlerlehre absolvierte, der technische Zeichner Belzner und Versicherungskauffrau Jung entschieden deshalb: „Wir machen eine Buchhandlung auf.“

Die Marktanalyse über das Statistische Landesamt brachte es ans Licht: Von den ins Auge gefassten Städten Frankenthal, Speyer, Weinheim und Neustadt hatte Neustadt zu diesem Zeitpunkt nicht nur eine gute Kaufkraft, sondern auch wenige Buchläden, dafür aber viele Touristen zu verzeichnen. Jung verdiente ihr Geld zunächst als Versicherungskauffrau und unterstützte damit das Geschäft, Belzner, der sich um die Verwaltung kümmert, arbeitet immer noch in einer anderen Firma. Er ist der „Ladenbauer“, der alle Regale entworfen und gebaut hat.

Gegenpol zu den etablierten Buchhändlern

„Damals, vor über 30 Jahren“, sagt Jung lächelnd, „waren wir der Gegenpol zu den etablierten Buchhändlern.“ Im Angebot waren und sind noch heute Bücher zum Thema Anarchie und Zeitschriften wie „Die Graswurzel-Revolution“ oder „Antifa-Info“. „Lest doch was ihr wollt“, war und ist das Motto. Oder „wie es euch beliebt“ – nämlich „Quodlibet“.

Doch nicht nur das Angebot war ein Experiment. Der Traum der Gründer war ein Team ohne Hierarchie und ohne Chef. Ein Wagnis. Doch Jung erklärt: „Wir kannten uns alle drei so gut und hatten unsere Ecken und Kanten bereits aus der Jugendzentrum-Zeit kennengelernt und abgeschliffen. Uns trägt die Basis Freundschaft, und jeder hat seine Freiheiten.“ Sie stieg erst aus ihrem Brotberuf aus, als der Buchladen auf stabilen Beinen stand. Für sie ging mit dem selbstbestimmten Berufsleben ebenso ein Traum in Erfüllung wie für ihre beiden Freunde. An jedem Dienstag ist Teamsitzung. Wichtige Entscheidungen werden einstimmig getroffen – ist einer dagegen, wird der Plan nicht verwirklicht.

Jeder verantwortet sein eigenes Budget

„Quodlibet“ ist jetzt seit rund 13 Jahren in der Kellereistraße zu finden. Nach Klemmhof und Elewedritschebrunnen bedeutete der Umzug in die rund 90 Quadratmeter nicht nur mehr Platz, sondern auch eine bessere Lage. Doch dann kam ohne Vorwarnung die Ansiedlung des Buchhandlungsfilialisten Osiander in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Konkurrenz, aber auch ein stark verändertes Kaufverhalten im Internet, generell weniger Kunden in der Innenstadt, das Aufkommen neuer Medien und damit neue Unterhaltungstrends machen dem Team heute zu schaffen.

Seit der Schulbuchausleihe gibt es keine Schulbuchbestellungen im klassischen Sinne mehr. So fehlen, trotz vieler treuer Stammkunden, weitere „Laufkunden“. Über Buchvorstellungen in Kindergärten und Schulen gibt es aber zumindest einen positiven Zuspruch von jungen Lesern. Dabei setzt das Team weiter auf eine „klassische Buchhandlung“ ohne Zusatzangebote wie etwa Geschenkartikel. Jeder im Laden verantwortet sein eigenes Budget beim Einkauf neuer Bücher. „Hier hilft uns die Erfahrung, wir wissen, was unsere Kunden wünschen“, so Jung.

Konsequentes Nein gegen rechte Einflüsse

Wegen des massiven Umsatzrückgangs im vergangenen Jahr mussten schmerzhafte Einschnitte beim Personal gemacht werden. Jetzt sind noch drei Angestellte dabei. „Wir können froh sein, dass wir so ein engagiertes Team haben, das die Entscheidungen mitträgt. Zwischen uns herrscht blindes Vertrauen, das merken unsere Kunden“, betont Jung.

Geblieben sind indes die zwei wichtigsten Merkmale aus der Gründerzeit: Neben der gleichberechtigten, aber auch selbstverantwortlichen Führung der jeweiligen Aufgabenbereiche ist es ein konsequentes „Nein“ gegen rechte Einflüsse. „Wir haben eine Liste von „rechten“ Verlagen. Deren Bücher bestellen wir grundsätzlich nicht. Und bestimmte Bücher legen wir auch nicht aus“, betont Jung. Dabei trage man die politische Einstellung nicht etwa wie eine Monstranz vor sich her. Man wolle nicht missionieren, sondern versuche ein selbstbestimmtes Leben.

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