Neustadt Neustädter Zonta-Club-Präsidentin im Interview: „Die Menschen sollen hinschauen“

Beispiele für „Färbe die Welt orange“-Aktionen andernorts.
Beispiele für »Färbe die Welt orange«-Aktionen andernorts.

Rathaus, Löwen-Skulptur und Marktplatzbrunnen leuchten am Samstag in der Farbe Orange. Zusammen mit der Stadtverwaltung setzt der Frauen-Serviceclub Zonta damit ein Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen. Ein notwendiges Signal, sagt Präsidentin Ute Jausel.

Frau Jausel, seit 2012 gibt es die internationale Aktion „Färbe die Welt orange“. Wie kommt’s, dass jetzt auch Neustadt mitmacht?

Eigentlich gibt es das schon länger, genau gesagt seit 1991. Damals startete die Kampagne „16 Aktionstage gegen geschlechtsspezifische Gewalt“, initiiert von der weltweiten Frauenvereinigung Women’s Global Leadership. Sie beginnt jedes Jahr am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, und endet am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte. 2016 kam als ein Beitrag „Orange your city“ dazu. Viele machten und machen mit, das New Yorker Rathaus war orange, die Europäische Zentralbank in Frankfurt oder EU-Gebäude. Und jetzt auch Neustadt ... Ja, wobei wir 2018 das Problem haben, dass der 25. November Totensonntag ist. Deshalb weichen wir auf den 24. November aus und fangen auch klein an. Die Stadt war sofort bereit, uns zu unterstützen, und hat die drei Bauwerke benannt, die nun orange angestrahlt werden. Warum gerade diese Farbe? Orange ist zwar auch die Farbe von Zonta, damit hat das aber nichts zu tun. Für Orange hatte sich die internationale Frauenvereinigung 2016 entschieden. Glauben Sie wirklich, dass das etwas austrägt? Wir sind ja noch in den Kinderschuhen. Die Zonta-Clubs in Ludwigshafen, Mannheim oder Heidelberg powern richtig, viele Gebäude werden beleuchtet, auch die BASF macht beispielsweise mit. Für Neustadt kann ich mir im nächsten Jahr mehr vorstellen, wenn wir genug Vorlauf haben, um die Aktion vorzubereiten. Voraussetzung ist ja eine Beleuchtung, die man farblich umstellen kann. Das Hambacher Schloss hat eine solche Beleuchtung, es wäre toll, wenn es 2019 dabei wäre. Oder das Cineplex-Kino oder Hornbach. Die städtische Gleichstellungsbeauftragte Simone Rothermel unterstützt uns da sehr, dasselbe gilt für Oberbürgermeister Marc Weigel. Natürlich können ebenso Privatleute mitmachen, auch schon in diesem Jahr, und vielleicht einfach eine Fensterscheibe mit orangefarbener Folie bekleben. Aber wie sollen Menschen, die das wahrnehmen, es als Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen verstehen? Im Vorfeld wichtig sind natürlich Plakataktionen oder das Bekanntmachen über die Medien. Deshalb sitze ich ja jetzt hier bei Ihnen. Auch da müssen wir nächstes Jahr zulegen. Aber zumindest ein kleines Zeichen wollten wir schon 2018 setzen. Sie sind also vom Erfolg solcher Aktionen überzeugt? Ja, sonst würde ich da keine Energie reinsetzen. Wir haben auch bei der Fotoaktion des Neustadter Frauenhauses mitgemacht, die Gewalt ein Gesicht gegeben hat. Sie hat viele Menschen erreicht, war eine gute Sache. Ich finde es gerade für eine so beschauliche, touristisch attraktive Stadt wie Neustadt wichtig, darauf hinzuweisen, dass es das eben auch gibt. Oder dass wir hier ein komplett überfülltes Frauenhaus haben, weil die Frauen keine Wohnung finden. Deshalb kehren einige sogar wieder in die häusliche Gewalt zurück. Das ist nicht nur schlecht für die Opfer; auch die Kinder kommen nicht aus dieser Gewaltspirale heraus, weder jetzt, noch als Erwachsene. Die einen werden ebenfalls Opfer, die anderen Täter. Das ist eine Prägung, der man begegnen muss. Da müssen wir als engagierte Frauen den Finger in die Wunde legen. Sie sagten, mit der Fotoaktion wurden viele Menschen erreicht. Heißt das auch, dass die Aufmerksamkeit größer geworden ist? Das hoffe ich zumindest. Das Thema Gewalt gegen Frauen aus der dunklen Ecke rauszuholen ist einfach wichtig. Noch immer wird darüber nicht gern geredet, noch immer ist die Ansicht verbreitet, dabei würde es sich um ein Problem in den unteren Schichten handeln. Völlig falsch. Deshalb ist hinschauen wichtig, auch mal im eigenen Umfeld. Als Familienanwältin übernehmen Sie auch Mandate über die Interventionsstelle des Frauenhauses Neustadt. Ein kurzer Erfahrungsbericht? Was vielleicht nicht so bekannt ist: Neben körperlicher Gewalt gibt es auch viel psychische Gewalt gegen Frauen. Ich habe ältere Mandantinnen, die das erlebt haben und sich erst einmal ganz neu orientieren müssen. Sie hatten kein Mitspracherecht bei den Finanzen, durften nichts selbst entscheiden, waren teilweise von anderen Kontakten abgeschnitten. Was denken Sie: Ist zumindest heutzutage Gewalt gegen Frauen nicht mehr salonfähig? Ja und Nein. Durch das Gewaltschutzgesetz hat sich die Haltung schon geändert. Von der Polizei bekommen wir beispielsweise die Möglichkeit des Kontakt- und Näherungsverbots, das heißt, der Gewalttätige wird weggeschickt und nicht mehr das Opfer. Zudem gibt es die Interventionsstelle, das ist gut. Aber immer noch ist eine der ersten Fragen, wenn jemand solche Gewalt mitbekommt: „Was hat sie angehabt?“ Oder „Hat sie ihn mal wieder provoziert? Der arme Mann kommt ja von der schweren Arbeit nach Hause, da hätte sie ja mal ein bisschen netter sein können.“ Das ist folglich noch immer in vielen Köpfen drin, obwohl ich auch merke, dass es besser wird. Indes werden auch Männer von Frauen misshandelt ... Ja, natürlich passiert das auch, dass eine Frau zuschlägt oder psychische Gewalt ausübt. Davon betroffene Männer habe ich auch schon vertreten. Gerade die psychische Gewalt war früher stark sexualisiert, heutzutage geht es meist über die Kinder. Doch überwiegen die Fälle, in denen die Frauen die Opfer sind, bei weitem. Und natürlich sind wir als Zonta-Frauen an dem Frauenthema interessiert.

Ute Jausel
Ute Jausel
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