Neustadt Mit Holzlöffel, „Knochen“ und versteckter Gymnastik

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Neustadt. „Wir begrüßen uns mit den Füßen.“ Reinhard Wenz und zwölf Kinder im Grundschulalter sitzen im Mußbacher Freibad im Kreis auf einer bunten Plane, die an ein Sprungtuch erinnert. Erst lassen der Schwimmtrainer des TV Mußbach und seine kleinen Schützlinge die Füße kreisen. Dann dreht er die Füße überstreckt nach innen. „Wofür brauchen wir das?“, fragt er seine Schar. „Fürs Kraulen“, schallt es zurück.

Die Füße zu überstrecken, nach innen zu drehen, nennt sich im Fachjargon Plantarflexion. Genau in dieser Position sollen sie beim Kraul- und auch beim Rückenbeinschlag sein. Diplomsportlehrer Reinhard Wenz, Übungsleiter-Assistentin Heike Seibt und Übungsleiterin Christa Scherer betreuen seit dem vergangenen Winter die erste Kinderschwimmgruppe des TV Mußbach. Das Besondere: Die Jungen und Mädchen haben bereits erfolgreich einen Schwimmkurs absolviert. Aber wirklich schwimmen könnten sie nicht, weiß Wenz. Beim TV erlernen sie die Disziplinen Delfin, Rücken, Brust und Kraul. „Ich bin froh, dass wir Leute gefunden haben, die sich hier engagieren“, betont der Vereinsvorsitzende Dieter Hackebeil. Das Angebot passe zum TV mit Triathlon und viel Breitensport. Die Übungsleiter sind ein wenig trickreich, den Kleinen die anspruchsvollen Bewegungen beizubringen. „Bei gemeinsamen Spielen, bei gemeinsamer Gymnastik lernen die Kinder versteckt“, erklärt Heike Seibt. So ist die Fußgymnastik gleichzeitig Techniktraining. Wenz holt einen großen Holzlöffel hervor. „Wofür brauchen wir den?“, fragt er. „Um uns auf die Finger zu hauen“, überlegt ein kleines Mädchen schelmisch. Dazu natürlich nicht. Wenz nutzt den Löffel als Paddel. „Unsere Hände sind unsere Löffel“, erklärt er, wie die Kleinen sich im Wasser fortbewegen sollen. Und noch etwas Trockengymnastik folgt: Je zehn Schritte auf den Fersen, zehn Schritte auf den Zehenspitzen rund ums neue Kinderbecken im Mußbacher Freibad folgen. Auf den Fersen zu gehen, entspreche der Fußhaltung beim Brustbeinschlag, erinnert Wenz seine Schar. Endlich geht’s dann ins Wasser. Nach einem Ballspiel ordnet Wenz an: „Flossen an.“ In Rückenlage sollen die Jungen und Mädchen den Kraulbeinschlag üben. Sie legen die Füße auf den Beckenrand. „Kopf zurück, dann kommt der Bauch hoch“, fordert Wenz auf. Ist nämlich der Bauch hoch, also an der Wasseroberfläche, hängt der Po nicht tief im Wasser – der Körper liegt gerade im Wasser und bietet möglichst wenig Widerstand. „Wichtig ist, dass die Knie im Wasser bleiben“, betont der Übungsleiter. „Aufpassen, dass ihr nicht an Helmut hängenbleibt“, warnt Wenz noch. Zu spät. Ein Mädchen mit weißer Badekappe rammt den rosa Elefanten mitten im Kinderbecken, der nach dem Begründer der Fördergemeinschaft Mußbacher Schwimmbad, Helmut Fecht, benannt ist. Sowohl der Elefant als auch das Mädchen bleiben unversehrt. Bei der nächsten Übung kommt es auf die Armhaltung an. „Schnappt euch ein Brett“, fordert Wenz die Kinder auf. Und wieder geht’s weiter in Rückenlage. Doch das Schwimmbrett liegt unter den Schultern, der Kopf liegt auf dem Brett auf. „Jetzt muss der Kopf gegen das Brett arbeiten“, spornt der Übungsleiter die Kleinen an, den Kopf zurückzunehmen. Liegt nämlich das Kinn auf der Brust, knickt man automatisch im Becken ein. Die Folge: Statt zu schwimmen, „sitzt“ man im Wasser und bietet viel Widerstand. „Oberarme an die Ohren.“ Der Übungsleiter streckt die Arme nach oben über den Kopf aus. Diesmal geht’s in Bauchlage per Kraulbeinschlag vorwärts. Auf der nächsten Bahn nehmen die Kinder den „Knochen“ als Brettersatz, einen Pullbuoy, den man sich normalerweise als Auftriebshilfe zwischen die Beine klemmt. „Mit der linken Hand auf den Knochen, mit dem rechten Arm kraulen wir – wir atmen also nach welcher Seite“?, fragt Reinhard Wenz. Seine Schützlinge haben bei den Übungen zum Kraularmzug vor einer Woche aufgepasst: „Nach rechts.“ Dem Kraulen schon sehr ähnlich schwimmen die Kleinen einarmig zur anderen Beckenseite. Das Problem der Übungsleiter bringt Reinhard Wenz auf den Punkt: „Einmal ist keinmal.“ Das Training gebe es nur einmal pro Woche. Oft vergäßen die Kinder innerhalb einer Woche, was sie gelernt hätten. „Zwei Stunden wären nicht schlecht“, ergänzt Seibt, die aber auch vom zeitlichen Problem des heutigen Nachwuchses weiß: „Viele Kinder haben noch eine andere Sportart.“ Jetzt im Sommer beginne die Schwimmstunde erst um 19 Uhr. „Das ist für Grundschulkinder sehr spät – die sind dann schon fertig.“ Dies seien die Umstände, mit denen man als Übungsleiter klar kommen müsse. Heike Seibt geht mit den Kleinen oft gemeinsam ins Wasser, um zu üben. „Manche verstehen gar nicht, was ich will, wenn ich etwas erkläre“, begründet sie diese Maßnahme. Dass sie und Wenz die 15 Kinder große Gruppe gemeinsam betreuen, begrüßt sie. „Es gibt enorme Leistungsunterschiede, die Kinder haben unterschiedliches Wassergefühl. Und es gibt Altersunterschiede“, erklärt sie. Die Fortschritte gebe es immer nur in kleinen Schritten. Aber es gibt sie. „Die Kinder haben mehr Ausdauer entwickelt“, zählt Seibt auf. Auch die Technik sei schon besser.. „Die Kleinen sind unbefangener im Wasser.“ Und die Jungen und Mädchen sind ehrgeizig. „Wann gehen wir ins große Becken?“ Diese Frage hört Wenz mehrfach in dieser Stunde. Zum Abschluss ist es so weit. In den Händen einen Tennisball haltend, die Arme sind über den Kopf gestreckt, springt ein Kind nach dem anderen von der Treppe ins Becken und übt zu tauchen. „Die Hände vorne lassen bis zum Auftauchen“, spornt Wenz seine Schar an. Und applaudiert begeistert, als alles klappt. |sab

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