Neustadt Metallischer Glanz

Neustadt. Er ist ein gern gesehener Gast in der Alten Winziger Kirche: Der mit seiner jungen Familie in Neustadt lebende Holländer Ralph Jaarsma gestaltete am Sonntag gemeinsam mit seiner Kollegin Neungmi Lee vom Pfalztheater Kaiserslautern und dem gleichfalls aus Südkorea stammenden Pianisten Younggeun Yoan einen Liederabend mit Werken von Jean Sibelius und Richard Strauss.

Denkt man an Schubert, denkt man an Lieder. Bei Sibelius hört das geistige Ohr Sinfonien. Dass er auch Kunstlieder komponiert hat, erfährt man derzeit landauf landab anlässlich seines 150. Geburtstages. Bei Strauss ist die Situation eine andere: Sein ganzes Leben lang hat er Lieder geschrieben, viele davon für den herrlichen Sopran seiner Frau Pauline – und mit seinen üppig instrumentierten Orchesterliedern dem romantischen Kunstlied neue Impulse gegeben. Vor allem frisch Verliebte kamen an diesem Abend auf ihre Kosten. Zu Recht wird der 1894 komponierte Strauss-Zyklus „Vier Lieder“ als eines der schönsten Hochzeitsgeschenke aller Zeiten bezeichnet. In dem „Meiner geliebten Frau Pauline“ gewidmeten Liebesreigen verlangt Strauss dem Interpreten ganz viel Leidenschaft ab. Jaarsma erfüllt diese Bitte gleich zum Auftakt in „Heimliche Aufforderung“ mit mächtiger Stimme. Wer die Entwicklung dieses in jeder Hinsicht charismatischen Baritons in den letzten Jahren verfolgen durfte, wird zweifellos feststellen, dass seine Stimme zwischenzeitlich geradezu explodiert ist. In ihrem metallischem Glanz und ihrem unübertroffen großem Volumen scheint sie allerdings eher für die große Opernbühne geeignet. In der kleinen Winzinger Kirche jedenfalls fühlte sich das Publikum akustisch deutlich überfordert. Als kongeniale Partnerin entpuppte sich die Sopranistin Neungmi Lee. Auch ihre Stimme verfügt weniger über lyrische als dramatische Qualitäten. Eine Steilvorlage hierfür boten ihr die zum größten Teil als Orchesterlieder vertonten Beiträge von Richard Strauss. In abwechselnder Folge präsentierte sie an der Seite von Ralph Jaarsma ein beeindruckendes Spektrum des vielschichtigen Liedschaffens der beiden Spätromantiker. „Ich habe das bessere Werkzeug, er aber ist der Größere“, äußerte sich einst Strauss über seinen finnischen Kollegen. Die meisten der in Schwedisch oder Finnisch gehaltenen Sibelius-Lieder behandeln die Liebe. Wie gut, dass die Veranstalter das Publikum mit Übersetzungen beglückten, die ein tieferes Eindringen in die Freuden und Ängste, Sehnsüchte und Träume von Paarbeziehungen ermöglichten. Zeugnis davon gaben Lieder mit teils eindeutigen Assoziationen wie „Kusses Hoffnung“, „Der erste Kuss“ oder auch „Schwarze Rosen“. Mit ihrem strahlenden, sich im Spitzentonbereich mühelos in die Höhe schraubenden Sopran weckte Neungmi Lee die sinnliche, von geheimnisvoller Naturmystik durchflochtenen Intensität dieser Lieder. Und immer wieder beeindruckte Jaarsma mit seinen von einer unglaublichen Kraft beseelten Forteattacken. Fast scheint es die Hörer aus den Sesseln zu reißen, angesichts dieser Überdosis an stimmlicher Power. Aber wie gesagt: Die Alte Winzinger Kirche ist nicht die Carnegie Hall, und es begleitet auch kein mächtiges Sinfonieorchester. Dennoch sollte man an dieser Stelle den Einsatz des jungen Pianisten Younggeun Yoon keineswegs in Frage stellen, sondern im Gegenteil mit ihm auf eine große Zukunft hoffen. Nicht nur als feinfühliger Liedbegleiter, sondern auch als überragender Interpret der drei Klavierstücke „Valse“, „Sapin“ und „Capriccio“ zog er das Publikum auf seine Seite. Kleiner Wermutstropfen: Den Randbereichen des Flügels, insbesondere den tiefen Registern, würden eine neuerliche Stimmung gut tun.

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