Neustadt Müller fährt die schnellste Runde

Budapest. Die Formkurve zeigt nach oben: Nico Müller war kurz davor, in seinem dritten DTM-Rennen die ersten Punkte einzusammeln. Damit’s noch einer mehr wird, wollte sich der Audi-Pilot vom Neustadter Team Rosberg auch noch Timo Glock packen. Der ehemalige Formel-1-Fahrer hatte allerdings etwas dagegen.

Kein Wunder. Lange war der BMW-Fahrer auf Platz zwei unterwegs gewesen, doch nachdem er zwangsweise auf die härteren Standardreifen gewechselt war, verlor er trotz heftiger Gegenwehr Platz um Platz. Und nun flog in der letzten Runde auch noch Rookie Müller auf seinen weichen Optionsreifen daher. Das wollte der Routinier nicht kampflos geschehen lassen. Er wollte Platz sieben verteidigen. Auch wenn es Nico Müller mit seinem Audi am Ende der Start- und-Zielgeraden gelungen war, seinen Kühler ein klein wenig vorne zu haben, hielt Glock mächtig dagegen. Mit nachhaltigem Ende. Während sich Müller drehte und damit auf Platz zwölf zurückfiel, musste Glock mit einem Reifenschaden direkt in die Box humpeln. Punkte gab’s also für beide nicht. Trotzdem sah Glock den Zusammenstoß als normalen Rennunfall, wie die Rennkommissare auch. „Ich habe versucht, meine Position zu verteidigen“, beschrieb er die Situation, „dann hat sich Nico weggedreht und sein Auto in meinem verhakt.“ Richtig in Rage aber kam Müller, als ihm mitgeteilt wurde, dass Glocks Aktion ohne weitere Bestrafung blieb. „Ich bin schon ziemlich sauer, ich finde das schwach“, echauffierte sich der ansonsten ruhige Schweizer. „Dass nichts unternommen wird, ist noch frustrierender.“ So seine ersten Punkte zu verlieren, „weil einer wegen früherer Aktionen einen dicken Hals hat, ist mehr als ärgerlich“. Zuvor hatte er bereits versucht, mit Glock über den Vorfall zu reden, „aber der war in einer ganz anderen Welt“. Der zweite Rosberg-Pilot ließ Teamchef Arno Zensen kräftig durchatmen: Jamie Green überquerte als Siebter die Ziellinie. Die sechs Punkte auf dem Hungaroring bei Budapest sind die ersten in der Saison 2014 für das Audi-Team aus Neustadt. „Ziel Nummer eins war, das Rennen zu Ende zu fahren“, sagte Green, „und Ziel Nummer zwei war zu punkten.“ Beides ist geglückt. Obwohl Nico Müller nach außen noch kein Ergebnis stehen hat, schon nach drei Rennen lässt sich sagen: der 22 Jahre alte Schweizer ist eine Bereicherung für die DTM. Und das aus mehreren Gründen. „Nico hat einen ungeheuren Grundspeed“, verrät sein Chef Zensen. Dies hat er im gestrigen Rennen eindrucksvoll bewiesen. In 1:37,556 Minuten hatte er die schnellste Runde aller 23 Piloten im Feld absolviert. Chapeau. Das fand auch Dieter Gass. „Nico hatte ein ganz tolles Wochenende und hätte seine ersten Punkte verdient. Immerhin hat er die schnellste Runde erzielt“, sagte der Leiter DTM bei Audi. Generell mögen Rennfahrer jede Art von Öffentlichkeitsarbeit überhaupt nicht. Und wenn sie dann etwas sagen müssen, neigen sie zu Äußerungen, die über leere Phrasen nicht hinausgehen. In diese Kategorie fällt Nico Müller absolut nicht. Schon bei seinem ersten Rennen in Hockenheim plauderte er vor dem offiziellen Startschuss der Medienrunde munter drauflos. Als dann von Kommunikationschef Jürgen Pippig die Runde eröffnet wurde, schreckte der junge Mann auf: „Ich weiß nicht, ob ich schon so viel erzählen darf?“ So charmant wie er das mit seinem Schweizer Dialekt tut, darf er das. Diese Offenheit tut gut. Und Müller pflegt sie ganz bewusst. „Ich weiß, dass ich sehr viel rede“, weiß er um seinen Charakterzug, „aber ich versuche gerne, Einblicke hinter die Kulissen zu geben. Vor dem Fernseher kann jeder sitzen. Vor Ort liegt es an uns Fahrern, etwas daraus zu machen.“ Auch mit seiner charmanten Art punktet Müller. Nicht nur an der Rennstrecke, auch bei seinen Besuchen am Rosberg-Stützpunkt in Neustadt. „Wenn er in die Firma kommt, kommt er gleich angesprungen und sagt hallo“, berichtet Zensen. „Meist bringt er auch was mit: Pralinen oder Toblerone. Das kommt gut an.“ Auch gegenüber seinem Teamkollegen Jamie Green zeigte er sich besonders hilfsbereit. Den Hungaroring kennt Müller so gut, dass er 2013 dort das Rennen der Formel Renault gewonnen hat. Als Anfang April DTM-Testfahrten anstanden, hat er Green in Monte Carlo angerufen und ihm angeboten, gemeinsam um den Kurs zu gehen, um ihm die Strecke zu erklären. Der 31 Jahre alte Brite, seit 2005 in der DTM beschäftigt, nahm an. Der revanchiert sich, indem er seinem jungen Kollegen Tipps gibt. „Ich muss lernen, lernen, lernen. Ich möchte in der nahen Zukunft vorne mitfahren. Deshalb muss der Lernprozess so kompakt wie möglich ausfallen“, sagt Müller. In Budapest hat er erste Lernerfolge gezeigt.

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