Neustadt Kurzweilige Reise

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Neustadt. „Europa in 90 Minuten“: Das war eine musikalisch-literarische Odyssee und eine kurzweilige Schnitzeljagd mit Gedichten, Sagen, Märchen, Liedern und Melodien aus verschiedenen Zeitaltern durch die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union am Freitagabend in der Stadtbücherei Neustadt.

Reiseleiter waren die Autorin und Schauspielerin Madeleine Giese, der Schauspieler Rainer Furch vom Pfalztheater und die Akkordeonistin Alexandra Maas. Organisiert hatte die Europareise das Literarische Forum in Kooperation mit der Stadtbücherei, dem Kulturverein Wespennest und der Quodlibet Buchhandlung. In den 50er Jahren gegründet, konnte der EU bislang keine Krise etwas anhaben, und heute „weht ein Sturm um unser Haus“. So der Beginn des Programms, das Giese/Furch einst als Auftragsarbeit für das EU-Direktzentrum Kaiserslautern geschrieben und schon viele Male, immer wieder aktualisiert, vorgetragen haben. Nachdenkliches, Lustiges und anmutig-warme Klänge aus dem Akkordeon, das nicht nur begleitete, sondern auch eigene Parts bestritt wie einen Walzer von Chopin für Polen. Für jedes Land wurde ein besonderer Höhepunkt gefunden, so dass man am Ende des Programms die Länder etwas genauer kannte und feststellte, dass es nicht der Euro ist, der Europa zusammenhält, sondern Poesie. Einst kämpfte Don Quichote mit einer naiven Selbstüberschätzung vermeintlich gegen Riesen, dabei waren es nur Windmühlen, so die Überschrift für Spanien. Für Bulgarien wurde mit wohlklingender Stimme ein die Sinne ansprechendes Märchen gelesen, in dem eine kluge Hirtin zur Zarin avanciert. Andersens „Vogel Phönix“ folgte, dann der „Raub der Europa“ aus Gustav Schwabs „Klassischen Sagen des Altertums“. Schauplatz war Kreta, und Zeus war schuld. In Stiergestalt ent- und verführte er die phönizische Königstochter Europa. Ein Kontinent erhielt seinen Namen. Volkstänze luden nach Estland ein, und die maltesische Nationalhymne hat bislang auch niemand gekannt: „Das Akkordeon ist für das Leben auf dieser Erde gemacht, die linke Hand gibt den Bass und die Herzschläge an, die Arme und Schultern mühen sich, Atem zu schaffen, und die rechte Hand greift nach Hoffnungen!“ Dann wieder die wohltönenden modulationsfähigen Stimmen der Rezitatoren, die manchmal gleichzeitig sprechen, um sich dann schnell hintereinander zu ergänzen und auszutauschen: Jacques Prevert, Dichter, Romancier hat für „Die Kinder des Olymp“ das Drehbuch geschrieben und auch ein herrliches Gedicht über die Liebe von Erde und Sonne. Nikos Dimou weint über das Unglück, ein Grieche zu sein. Dann nach Irland, zu den köstlichen Limericks, das musste in der Originalsprache kommen. 1969 erhielt Samuel Beckett den Nobelpreis für Literatur und so hörte das interessierte Publikum einen Ausschnitt aus „Warten auf Godot“, ein nicht nur zähes Wortgeplänkel. Für die Niederlande wurde eine Geschichte von Anne Frank „Der Schutzengel“ rezitiert – mehr als ergreifend. Und natürlich wurden in Österreich die Tauben vergiftet im Park von Georg Kreisler. Portugals bedeutendster Dichter war Fernando Pessoa mit seinen tagebuchartigen Reflexionen aus „Buch der Unruhe“. Als Alexandra Maas dann aber die Melodie zu Pippi Langstrumpf anstimmte, sangen viele mit – noch einmal Kind sein dürfen! Weisheiten gab das slowenische Märchen „Die traumdeutende Schlange mit auf den Weg. Kafka durfte nicht fehlen für die Tschechische Republik, er schrieb in Deutsch „Eine kleine Fabel“, die voller Kraft und Inbrunst vorgelesen wurde. Von Shakespeare dann das Sonett Nummer 18, und aus Zypern hörte man von Aphrodite, der Göttin der Liebe, Schönheit und sinnlichen Begierde. „Freude schöner Götterfunken“ beendete ein Programm, das mit der „Ode an die Freude“ dafür warb, dass alle Menschen Brüder werden.

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