Neustadt Kommentar: Kein Halbgott in Weiß mehr

Der Arzt von heute strebt nach anderen Zielen

als der Hausarzt von vor 30 Jahren.

Möglicherweise ist das Internet schuld. In Zeiten von Dr. Google ist der Patient zum Pseudo-Experten geworden. Das muss man angesichts einer sich ständig ausbreitenden Tendenz zur Hypochondrie nicht besonders toll finden. Aber mit der Möglichkeit, dass fast jeder im World Wide Web suchen kann, was er morgen denn wieder für eine Krankheit haben könnte, ist auch ein positiver Effekt einhergegangen: Der einstige Halbgott in Weiß wurde nämlich in den Feierabend geschickt. Patienten sind heute nicht mehr ausschließlich vom Siechtum befallene Ahnungslose, sondern sie sind mündiger gewordene Kunden eines Dienstleisters. Wo früher im Einzelfall schon mal die Willkür regierte, gibt es heute im Binnenverhältnis zwischen Arzt und Patient eher die Tendenz, gemeinsam nach der besten Lösung zu suchen. Ärzte haben heute nicht mehr den Status, der sie einst neben Bürgermeister und Pfarrer zur wichtigsten Person im Ort gemacht hat. Junge Ärzte suchen heute weniger den Status als die Lebensqualität. Das allerdings macht die Sache für heute schon unterversorgte Orte nicht leichter. Wo Infrastruktur fehlt, wird kein Arzt gerne praktizieren.

x