Neustadt Im Zug mit Franz Kafka

Neustadt. Mitte September erst ist das neueste Buch von Gabriele Weingartner, „Geisterroman“, erschienen – nur sechs Wochen später, am morgigen Mittwoch, stellt die in Edenkoben geborene Wahl-Berlinerin ihren mittlerweile siebten Roman auch schon in Neustadt vor. Es ist wieder ein echter „Weingartner“ geworden – mit einer grüblerischen Protagonistin im Zentrum –, bietet allerdings auch eine große Überraschung und stellt den Leser durchaus vor Herausforderungen.

Das hat vor allem damit zu tun, dass Klara, in deren Kopf man beim Lesen quasi schlüpft, eine waschechte Intellektuelle ist, der es keine Probleme bereitet, im selben Gedankenstrom von Qigong zu Prosper Mérimée zu wechseln. Verkompliziert wird die ganze Sache noch durch ihre nicht eben anheimelnde Familiengeschichte, bei der unter anderem eine prügelnde Mutter, ein windbeuteliger Ex-Ehemann und eine dominante Schwester tragende Rollen spielen. Diese, Solveig mit Namen – der Vater war „Peer Gynt“-Fan –, ist allerdings zu Beginn der Handlung gerade in Prag an Krebs gestorben. Klara sitzt nun im Zug von Berlin in die tschechische Metropole, um die Tote nach Hause zu geleiten, denkt viel, sehr viel nach und gerät, obwohl sie nichts lieber als ihre Ruhe hätte, auch noch an einen merkwürdigen Mitreisenden, der sich als Kafka-Forscher erweist. Dann allerdings, und das ist eine völlig neue Qualität in Gabriele Weingartners Werk, vermischen sich auf einmal die Zeitebenen in aberwitziger Weise: Der Zug, der im Winter 2014 losfuhr, bleibt im Schneesturm stecken und verwandelt sich in jenen, in dem sich im Sommer 1917 Franz Kafka und der skandalumwitterte Psychoanalytiker Otto Gross begegneten. So führt der „Geisterroman“ in manchem eine ganz neue Gabriele Weingartner vor, bietet aber auch Vertrautes: Er ist mit Sicherheit nicht so lebensnah wie der Erstling „Schneewittchensarg“ (1996) oder zuletzt besonders das Rentner-Panoptikum der „Villa Klestiel“ (2011), verbindet dafür aber die Vorliebe der Autorin für die Geistesgrößen des Habsburgerreichs, wie man sie aus „Fräulein Schnitzler“ (2006) oder dem Erzählband „Die Leute von Brody“ (2005) kennt, mit jenen präzisen Beobachtungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft, die Weingartners Werk von jeher kennzeichneten. Termin Gabriele Weingartner stellt ihren „Geisterroman“ morgen, Mittwoch, um 20 Uhr auf Einladung des Literarischen Forums in der Neustadter Stadtbücherei im Klemmhof vor. Eintritt: 8/5 Euro. Das Buch ist im Limbus-Verlag erschienen, hat 254 Seiten und kostet 20 Euro. |hpö/Archivfoto: van

x