Neustadt Erlesene Früchte des Meeres

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Neustadt-Mussbach. „Zwischen zwei Meeren“, „Entre deux mers“, heißt das Crossover-Projekt des Cellisten Burkard Maria Weber, das am Sonntag zum zweiten Mal nach 2014 im Mußbacher Herrenhof gastierte. Das Programm bot Eigenkompositionen, klassische Kadenzen von Johann Sebastian Bach, die „Gymnopédies“ von Erik Satie, Stücke von Paul Hindemith und Transkriptionen zu Jimi Hendrix – in Form ebenso eigenwilliger wie beeindruckender Arrangements.

Es ist ein ausgefallenes kammermusikalisches Menü aus Klassik, Rock, Blues und Jazz, dass der Cellist aus Bissersheim mit seinem Ensemble „Celloland“, bestehend aus Alexander Lützke an der Gitarre und Michael Heise am Kontrabass, im Festsaal des Herrenhofs vorstellte. Die Berliner Sängerin und Schauspielerin Karien Anna Weber übernahm nicht nur den Sologesang, sondern zitierte auch Balladen großer Dichter über den Zauber des Wassers. Schlagzeuger David Mette war leider erkrankt. Weber habe die Ideen und spiele sich ein. Dann spreche er sich mit seinem Gitarristen ab, und schließlich komme der Kontrabass dazu, beschreibt Gitarrist Lützke die Arbeitsteilung im Ensemble. Die sehr genaue Notenniederschrift des Cellisten, der sowohl mit Akustik- (Konzert-) als auch E-Cello (elektronisch) zu hören ist, weisen auf seine klassische Ausbildung hin. Akribisch wird nicht nur jede Note, sondern auch der Einsatz von linker und rechter Hand sowie des Wah-Pedals für besondere elektronische Effekte verzeichnet, obwohl im Spiel dann manches doch improvisiert wirkt. Das Ergebnis ist alles andere als „Musik von der Stange“, beispielhaft dokumentiert wird das bei einem von Webers ersten eigenen Werken, „Blue Sky“, oder seiner gerne gespielten „Route 44“. Häufig sind starke Spannungsbögen in gleitendem Crescendo und Diminuendo mit überraschend eingeworfenen Akzenten. Harmonischer präsentiert sich sein Spiel am Akustik-Cello, während das E-Cello wie bei „Feel it“ nie samtenen Charme an den Tag legt, dafür aber insbesondere beim Spiel mit dem Rundbogen eine nicht nur dem Aussehen nach faszinierende Eigendynamik an den Tag legt. Durch den sich über dem Steg komplett um sie schmiegenden Bogen werden mehrere Saiten zugleich angestrichen, bis zu vierstimmige Akkorde erspielt und Basstöne der leeren Saiten einer schnell gegriffenen Melodie „unterlegt“, die noch lange unter ihr weiterschwingen. Auch mit dem Akustikcello bei „No name“ erzielt Weber mit dem Rundbogen wunderbare Klangmalereien von bestechender Wärme und Reinheit, nicht so laut und weniger spektakulär, dafür aber umso anrührender, tief aus dem Cello-Korpus heraus, Saite um Saite niedergedrückt zu samtigem Vibrato. Geschmackvoll stimmige Ergänzung ist da die von Karien Anna Weber ausgesuchte und zitierte „Wasserlyrik“ von Theodor Storm und Heinrich Heine bis hin zur Liebeslyrik „Für Einen“ der so berührend gradlinigen, jüdischen Dichterin Mascha Kaléko. Der Geliebte ist Leuchtturm und Hafen inmitten des Wellenspiels, verwöhnende Nixen entsteigen den Wassern und leise klingt im Raum die „graue Stadt am Meer“ nach. Einen weiteren Glanzpunkt setzten Ensemble und Sängerin bei „Purple Haze“, dem Rockklassiker von Jimi Hendrix, einem Musiker, dessen „Spiel seinesgleichen sucht und dessen Kompositionen Musik und Gesang eins werden lassen“, wie Burkard Maria Weber begeistert feststellt. Von ihm nimmt er denn auch gleich noch das balladenhafte „Little Wing“ ins Programm und „jeden Ton vom Original“ aus „All along the watchtower“. Unerwartet: gerade die Rockklassiker werden nicht mit E-Cello gespielt. Dieses lässt er dann aber wieder röhren bei einem verrockten „Einigkeit und Recht und Freiheit“ der deutschen Nationalhymne in Analogie zu Hendrix US-Nationalhymnen-Verwandlung. Mit Jugendlichen hatte Weber im Vorfeld wieder einen Kompositionskurs veranstaltet. Auch dieser leistete mit einer kurzen Ton- und Percussion-Interpretation einen Beitrag zum Gelingen des Abends.

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