Neustadt Ein „Guter Ort“ für alle Besucher

Deidesheim. Mit der Pflege und Dokumentation ehemaliger jüdischer Friedhöfe in Rheinland-Pfalz befasst sich heute eine ganztägige Tagung der „Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit“ (LAG) in der ehemaligen Synagoge in Deidesheim. Die RHEINPFALZ hat vorab mit einem der Organisatoren, Christof Pies, Mitglied des LAG-Sprecherrats und Vorsitzender des Förderkreises der Synagoge Laufersweiler im Hunsrück, über die Bedeutung und die Besonderheiten jüdischer Friedhöfe gesprochen.

Herr Pies, das Thema Ihrer Deidesheimer Tagung sind „Verwaiste jüdische Friedhöfe in Rheinland-Pfalz“. Wann ist ein Friedhof denn verwaist?

Wenn es keine jüdische Gemeinde oder keine Angehörigen mehr gibt, die ihn pflegen. Das ist das Erbe der Nationalsozialisten, sie wollten das Judentum auslöschen mitsamt seinen Menschen und Synagogen. In vielen Gemeinden sind die Friedhöfe die letzten Zeugnisse einer über 1.000 Jahre alten jüdisch-deutschen Kultur. Da es in Rheinland-Pfalz fast 400 jüdische Friedhöfe, aber nur noch fünf jüdische Gemeinden, alle in größeren Städten, gibt, ist klar, dass der Begriff verwaist auf die allermeisten Friedhöfe im Land zutrifft. Sie sprechen von einem vielfach desolaten Zustand dieser Friedhöfe. Was läuft da schief? Das wüssten wir auch gern. Dies ist ja der Hintergrund, der 2012 zu unserer ersten Fachtagung in Simmern geführt hat, wo Vertreter der jüdischen Gemeinden, der Kommunen, Pfleger, Denkmalschützer zusammen kamen, um sich auszutauschen. Das Land Rheinland-Pfalz gibt jedes Jahr eine hohe sechsstellige Summe an die für die Pflege zuständigen zivilen oder jüdischen Gemeinden. Wir wollen, dass dieses Geld zweckgebunden eingesetzt wird und dass man dies auch sehen kann. Ein bisschen schwierig ist aber, dass es auch innerhalb des Judentums, zwischen konservativen und liberalen Rabbinern, unterschiedliche Auffassungen gibt, wie ein Friedhof gepflegt werden soll. Im Grundsatz ist man sich aber einig, dass er nicht „abgeräumt“ oder „aufgegeben“ werden darf. Gibt es denn auch Beispiele für gut gepflegte Friedhöfe? Ja, es gibt viele gute Beispiele. Bei uns hier in Kastellaun zum Beispiel haben kürzlich Firmlinge den Friedhof wunderbar in Ordnung gebracht, Inschriften gesäubert, Moos entfernt. An der Mosel habe ich unlängst an einer Expertenrundreise zu einem guten Dutzend Friedhöfen teilgenommen. Da waren viele tolle Beispiele dabei, aber eben auch einer in der Nähe von Trier, bei dem kein einziger Grabstein mehr stand. Und trotzdem ist dies immer noch ein Friedhof, der nicht aufgegeben werden darf. Das zeigt das vor wenigen Wochen ergangene wegweisende Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz zum Rechtsstreit um den Friedhof in Wallertheim, das auch durch die Presse ging. Warum sind jüdische Friedhöfe eigentlich nicht ganz generell als Kulturdenkmäler eingetragen? Gute Frage! Es ist genau unser Ziel, dass alle Friedhöfe unter Schutz gestellt werden. Aber der größte Teil der Friedhöfe liegt eben auf dem Land, versteckt, vergessen. Ein Problem ist ja wohl auch die Dokumentation. Warum geht die vielfach nur so schleppend voran? Ja, die Dokumentation ist dringend erforderlich, denn in zehn, zwanzig Jahren wird man die meisten Inschriften nicht mehr lesen können. Damit gingen viele wichtige sozialhistorische Informationen unwiderruflich verloren. Unser Ziel ist es, jeden einzelnen Grabstein in Rheinland-Pfalz zu dokumentieren. Aber das ist eine Aufgabe für Spezialisten und nicht ganz billig. Wenn wir Sponsoren fänden, würden wir da schnell weiter kommen. Es gibt ja viele gute Ansätze in den letzten 20 Jahren und unzählige ehrenamtliche Initiativen, auf deren Vorarbeit man aufbauen könnte. Und worum geht es konkret bei der Fachtagung in Deidesheim? Die Tagung schließt an die von vor zwei Jahren in Simmern an. Es geht darum, an praktischen Beispielen aufzuzeigen, was man bei der Pflege eines jüdischen Friedhofs darf und was man nicht darf, den Pflegenden also eine praktische Handreichung zu geben. Dazu wird es auch einen Rundgang auf dem jüdischen Friedhof in Deidesheim geben. Ich entnehme dem, dass es bedeutende Unterschiede zwischen der Pflege eines jüdischen und eines christlichen Friedhofs gibt ... Natürlich. Im Judentum ist das Grab ein Grab auf Ewigkeit. Es soll unverändert bestehen bleiben, bis der Messias kommt. Das darf aber nicht als Ausrede benutzt werden, einfach alles sich selbst zu überlassen. Ein jüdischer Friedhof darf durchaus gepflegt werden, man darf aber eben nicht zum Beispiel irgendetwas ausgraben oder Gräber verlegen. So wird eben ein „Guter Ort“, wie man den jüdischen Friedhof auch nennt, zu einer Erinnerungs- und Gedenkstätte. Und dies nicht nur für die Angehörigen, sondern für jeden, der den Friedhof betritt.

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