Neustadt Die Liebe und das liebe Geld

Kirrweiler. An den Wänden vom Edelhof, Kirrweiler, stehen vier begehbare Häuserfassaden. Die Fenster sind mit Vorhängen geschmückt. An der einen Tür auf der westliche Seite ist gar ein richtiges Zimmer mit Balkon zu finden. Die Kulisse für „Il Campiello“, ein Volksstück von Carlo Goldoni, nach einer Bearbeitung von Peter Turrini, ist fast perfekt. Es fehlt der Brunnen in der Saalmitte. Aber bis zur Premiere am 7. November hat das Edelhoftheater noch etwas Zeit, ihn aufzubauen.

Carlo Goldoni ist bekannt für seine Komödien. Und auch die, die das Edelhoftheater Kirrweiler ausgesucht hat, strotzt vor Situationskomik und lustigen Wortgefechten. Dass es mitunter richtig derb zugeht, ist vorgegeben, schließlich spielt das Stück im 18. Jahrhundert in Venedig, allerdings nicht in der besten Ecke der Stadt. Und am Platz, dem Campiello, wohnen nicht die allerfeinsten Leute. Umso pikierter ist der Edelmann, der mit seiner Nichte in dem dortigen Gasthaus abgestiegen ist. Er hat die nicht ganz leichte Aufgabe, diese unter die Haube bringen zu müssen. Die Bewohner haben jetzt ihre Häuser aufzusuchen. Regisseur Bodo Redner scheucht die Schauspieler, die sich eben noch privat unterhalten haben, hinter die Kulissen. Nun heißt es herauslaufen zur markierten Brunnenstelle. Die Akteure sollen Lärm und Hektik verbreiten. Der erste Versuch gefällt dem Regisseur nicht. „Schneller, lauter“, ruft er. Lediglich Andreas Simon verdient sich ein Sternchen: „Du machst das vorbildlich“, lobt Redner mit einem Lachen. Nach der Aufwärmphase geht es in die Vollen. „Wir spielen den zweiten Teil durch“, erklärt Redner. Er schiebt die Ermahnung nach, dass alle laut sprechen sollten, lediglich Dirk (Hinterlang) könne es halten wie immer. Der Cavaliere (Stefan Eichhorn) macht sich fertig: Er kommt – bekleidet mit einem schicken hellen Anzug und Hut, an den Füßen noch unpassende Turnschuhe – aus dem hinter dem Tresen angedeuteten Gasthaus. Mit seinem Koffer schleicht er über den Platz, offensichtlich will sich hier einer davonmachen. Aber da tritt Gasparina (Christiane Asam) auf den Balkon und hält ihn auf. Zu früh spricht sie den Mann nach Redners Meinung an. Auch mit dem Fächer darf sie erst später wackeln – Wiederholung. „Wie gut ich Sie verstehen kann“, wendet sich Gasparina an den Cavaliere. Und der flüstert: „Mon Dieu, die adelige Tragödin.“ Eichhorn spricht in Richtung Ausgang. „So versteht dich keiner“, lautet es von Seiten der Regie. Er solle sich zum Publikum drehen. Das wird mitten im Geschehen sitzen, direkt auf dem Marktplatz. Dass sie eingebunden oder angesprochen werden, damit müssten die Zuschauer aber nicht rechnen, sagt Redner schmunzelnd. Gegenüber Gasparina, die wie einige andere Frauen hier scharf auf ihn sind, räumt der Cavaliere ein, dass er sein gesamtes Vermögen „verhurt und versoffen“ habe. Nicht einmal seine Zeche könne er bezahlen, weshalb er sich aus dem Staub mache. Dennoch sieht Gasparina in ihm den idealen Partner: „Wir sind beide adelig und arm.“ Das findet der Cavaliere nicht. Und im Gehen fügt er hinzu: „Das ganze Leben ist ein Scherz!“. Wieder wird er aufgehalten, dieses Mal vom Wirt Sansuga (Andreas Simon). Er wolle nur eine Zwischenbilanz erstellen, sagt dieser und zitiert die lange Liste der konsumierten Köstlichkeiten. Unterwürfig springt der Wirt um den Gast herum, dennoch gierig sein Geld einfordernd. „Ist es nicht zu aggressiv, wenn ich ihm am Revers packe?“, fragt Simon den Regisseur. „Nein, keinesfalls. Geh ganz nah an ihn heran.“ Sturzbetrunken betritt Catte (Christiane Zeil) die Szene. Mit der halbvollen Flasche zeigt sie auf den Cavaliere, fragt, was er mache. Und sie nähert sich dem Mann, will ihn in die Arme schließen. Aber da hat sie die Rechnung ohne Pasqua (Elisabeth Wind) gemacht. Nun liefern sich die beiden ein herzhaftes Duell um das Objekt ihrer Begierde – „der Typ ist ein Sexsymbol“, fordert Redner zu mehr Schärfe auf. Nicht weniger eindeutig-zweideutig ist die herrliche Liebesszene mit Gnese (Meike Thirolf) und Zorzetto (Dirk Hinterlang). Wer hier wen verführt hat, ist der Grund für einen heftigen Streit zwischen den Müttern, Pasqua und Orsola (Simone Fischer-Gora). Auch Lucietta (Fatima Radeta) und Anzoletto (Christian Matow) zoffen sich unflätig; er droht gar, sie umzubringen. Zum regelrechten Tumult – einem echten Showdown – kommt es, als die Marktbewohner erkennen, dass sich der Cavaliere französisch verabschieden möchte. Dem edlen Fabrizio, Gasparinas Onkel (Manfred Loew), wird das zu viel. Er schimpft über das primitive Volk und den unsäglichen Lärm, bei dem er weder schlafen noch arbeiten könne. Liebe, Lust und Leidenschaft sind die Hauptingredenzien der etwa zwei Stunden dauernden Komödie, „die wir etwas entstaubt, gekürzt und leicht adaptiert haben“, erzählt Redner. Seit April wird wöchentlich geübt. Zweier- und Dreierproben sowie ein komplettes Wochenende hat es gegeben. Die Kulissen und die Kostüme werden noch ergänzt. Gespannt sein dürfen die Besucher auf die Figuren, die laut Redner ganz stark geschminkt sein werden, ein Tribut an die Zeit, in der Goldoni gelebt hat.

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