Neustadt Die „Christel von der Stadt“ sagt Adieu

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Einmal mit Christel Bollenbach tauschen – davon träumt so mancher Lokalredakteur in Neustadt. Und zwar dann, wenn sie die Sitzungen des Stadtvorstands vor- und nachbereitet, wie es zu ihren Aufgaben als Mitarbeiterin des städtischen Hauptamts gehört. In diesen Tagen erledigt sie das zum letzten Mal. Dann fährt sie den Computer herunter, stellt das Telefon um und geht ohne großes Tamtam nach Hause – um nicht mehr zurückzukommen. Nach über 50 Jahren bei der Stadtverwaltung tritt die 65-Jährige in den Ruhestand. Dass sie das Rentenalter erreicht hat – man sieht es Christel Bollenbach nicht an. Doch auch wenn sie „für mein Leben gern hier gearbeitet hat“, ist irgendwann mal Schluss und es damit auch gut. Im April 1966 hätte sie sich diese lange Zeit ohnehin nicht vorstellen können. Mit der Lehre zur Bürogehilfin fing alles an – „heute heißt das Kauffrau für Büromanagement“. In der Berufsschule war sie eine Exotin, weil die einzige aus der Verwaltung. „Ich wurde leicht belächelt“, erinnert sich Bollenbach, „und ,Die Christel von der Stadt’ gerufen.“ Alle Bereiche hat sie in der Ausbildung durchlaufen. Wozu auch das damals noch städtische Krankenhaus zählte. Im Aufzug war sie dort dabei, als ein Baby geboren wurde, auf einer Trage des Rettungsdiensts. „Ich hab` mich an die Wand gedrückt und versucht, nicht im Weg zu sein“, erzählt Bollenbach und lacht. Als Unterstützung der Chefsekretärin in der Gynäkologie war sie da unterwegs, um Pakete mit Pflegemittel-Pröbchen an junge Mütter zu verteilen. Widerstand war auf ihrem weiteren Berufsweg übrigens zwecklos. Zum Beispiel, als sie 1972 von Hauptabteilungsleiter Gerhard Berzel in dessen Abteilung geholt wurde. „Keine zwei Wochen später wollte ich wieder ins Bauamt zurück, doch es gab ein glattes Nein!“ Jahre später, Klaus Malz war zwischenzeitlich auf Berzel gefolgt, dasselbe Spiel: Er setzte Christel Bollenbach in sein Vorzimmer, ihre geliebten Ortsteile, die sie bis dahin betreut hatte, musste sie aufgeben. Indes: Nach jedem Wechsel bestätigte sich das Lebensmotto der Neustadterin: „Ebbes is fer ebbes gut.“ Schon nach kurzer Zeit hatte ihr der neue Aufgabenbereich bestens gefallen. Was auch für die letzten 15 Jahre mit ihrem heutigen Chef Andreas Günther gilt. Vier Oberbürgermeister hat Christel Bollenbach erlebt: Wolfgang Brix, Dieter Ohnesorge, Jürgen Weiler und Hans Georg Löffler. Deren Schriftverkehr, Pressearbeit und „alles, was gerade anstand“, zählten zu ihren Aufgaben. Langweilig wurde es ihr nie, und das nicht nur in Krisenlagen wie der Klemmhof-Misere. Die ständige Abwechslung war ihr Ding. Allerdings zählten auch Aufgaben dazu, die heute längst der Vergangenheit angehören. Wie als Repräsentantin bei städtischen Empfängen dabei zu sein, „im sehr hübschen blau-roten Dirndl mit weißer Bluse“. Oder beim Neujahrsempfang im langen Kleid. „Nachmittags gab es da immer frei, damit wir zum Friseur gehen und uns die Haare hochstecken lassen konnten.“ Das Ereignis schlechthin seien die Vorbereitungen für den Besuch des US-Präsidenten Ronald Reagan auf dem Hambacher Schloss gewesen. Den sie dann alle zusammen am Fernseher verfolgten. Nur gut, dass da nicht gerade eine Trauung auf dem Standesamt anstand, bei der das Brautpaar noch eine Trauzeugin suchte. Denn als solche sprang Christel Bollenbach auch ein. Wer so lange dabei ist, wird heutzutage natürlich als „Gedächtnis“ bemüht. „Kannst Du Dich noch erinnern, da haben wir doch mal ...“ ist ein von Christel Bollenbach vielgehörter Satz. Oder die Frage, ob sie aus alten Protokollen etwas übersetzen kann, das in Steno festgehalten wurde. „Das lernen die jungen Kollegen heute nicht mehr.“ Über einen Berufswechsel hat die 65-Jährige nie nachgedacht. „Ich war gern in der Verwaltung“, so ihre Bilanz nach fünf Jahrzehnten. Und auch Neustadt ist sie nicht einfach nur so treu geblieben. „Ich liebe diese Stadt und bin ein Familienmensch, der seine Lieben immer nah bei sich haben muss.“ So ganz stimmt das aber nicht. Ein wenig Wechsellust hatte sie zumindest ganz am Anfang. „In jungen Jahren wollte ich mal weg“, gesteht Bollenbach dann doch und schmunzelt wieder. Sie hatte sogar schon eine Stelle in Köln, „aber als es ans Kündigen ging, bin ich dann doch unruhig geworden“. Der Rest ist bekannt. Für die Zeit ab Oktober hat sie sich viel vorgenommen: „Ich bin sicher, im Ruhestand Unruhe zu haben.“ Auch der Kontakt zu den Kollegen soll nicht abreißen. Nur die Sitzungen des Stadtvorstands, die wird sie eben nicht mehr aufbereiten. Wer übrigens in Sorge ist, dass dieses Zeitungsporträt im Gegenzug dafür geschrieben wurde, dass wir zumindest ein wenig Mäuschen spielen durften: Auch ihre Loyalität zur Stadtverwaltung zeichnet Christel Bollenbach aus. Und ihre Bescheidenheit. Zu dem Porträt musste sie überredet werden. Eigentlich wollte sie ganz unbemerkt gehen. Denn: „Ich bin doch nicht aus der Welt.“

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