Neustadt Beratungsstelle Nidro bietet Hilfe – nicht nur für Süchtige

Sitzt in der Schillerstraße 11: die Suchtberatungsstelle Nidro.
Sitzt in der Schillerstraße 11: die Suchtberatungsstelle Nidro.

Ungefähr jeder Zehnte ist in irgendeiner Form von Sucht betroffen. Die Beratungsstelle „Nidro“ in der Neustadter Schillerstraße bietet Hilfe für Süchtige und Angehörige und ist für jeden zugänglich, auch ohne ärztliche Überweisung. Ihre Ansätze sind vielseitig.

Die Gründe für eine Suchterkrankung könnten vielfältiger nicht sein. Psychische Krankheiten, Stress im Beruf oder Schicksalsschläge sind nur einige der Ursachen, die Menschen letztendlich in die Suchtberatungsstelle des Therapieverbunds Ludwigsmühle „Nidro – Neustadt an der Weinstraße“ führen.

So unterschiedlich die Menschen und die Probleme, die sie mitbringen, sind, so vielseitig ist auch das Beratungsangebot in Neustadt. „Anders als in vielen Beratungsstellen sind hier die verschiedenen Suchtproblematiken streng voneinander getrennt und werden von spezialisierten Mitarbeitern betreut“, erklärt Barbara Hartlage. Sie ist Abteilungsleiterin und daneben noch für den Bereich der illegalen Drogen zuständig.

Über 300 Klienten

Insgesamt besteht das Team in Neustadt aus acht Suchtberatern, die jährlich über 300 Klienten betreuen. Neben Beratung bei Alkohol-, Drogen-, Glücksspiel- und Mediensucht gibt es auch ein gesondertes Angebot für Frauen, deren Suchtverhalten sich oft von dem der Männer unterscheidet. Zur Beratung kommen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten: Schüler, Obdachlose, Senioren und solche, die mitten im Arbeitsleben stehen.

Doch nicht nur die konsumierten Substanzen unterscheiden sich von Patient zu Patient – auch wie sie dazu kamen und aus welchem Antrieb sie sich Hilfe suchen, variiert. Deshalb müsse man auch von Fall zu Fall anders vorgehen, sagt Hartlage. Manche meldeten sich unter Druck von außen bei Nidro, zum Beispiel wegen Bewährungsauflagen oder auf Aufforderung des Jugendamts. Andere hätten bereits eine Entgiftung und einen stationären Therapieaufenthalt hinter sich und kämen zur Nachberatung, um wieder den Schritt ins echte Leben zu schaffen.

Jeder kann kommen

„All das ist aber keine Voraussetzung, und man braucht auch keine diagnostizierte Sucht. Zum Beratungsgespräch kann jeder kommen, der der Meinung ist, dass er Hilfe braucht, so oft und regelmäßig, wie er möchte“, betont die Fachfrau. Das seien zum Teil nicht einmal die Suchtkranken selbst, sondern auch Angehörige, die nicht wissen, wie sie mit der Sucht einer ihnen nahestehenden Person umgehen sollen, sagt Carola Eckhardt, die für Alkoholberatung zuständig ist.

„Unseren Klingelknopf zu drücken, kostet viele ein hohes Maß an Überwindung“, weiß Hartlage. Bevor sie den Schritt endlich wagten, hätten manche Patienten immer wieder vor der Tür gestanden, um dann doch umzudrehen. „Viele Betroffene schleppen die Sucht sehr lange mit sich herum, bis sie zu uns kommen“, sagt auch Eckhardt. „Der durchschnittliche Alkoholiker, der sich in Therapie begibt, ist 52 Jahre alt und bereits seit zehn Jahren süchtig.“ Teilweise liege das auch an der negativen Stigmatisierung in der Gesellschaft, die so etwas oft als Schwäche ansehe, meint Hartlage. Dagegen wolle man unbedingt ankämpfen. Umso wichtiger sei es, den Patienten gegenüber offen und herzlich zu sein: „Wir leben freundliche Atmosphäre, das hier ist ein freundliches Haus.“

Beratung ändert sich

Die Beratungsansätze für Suchtkranke seien heutzutage anders als früher, erklärt Igor Quand, bei Nidro für Prävention zuständig. Lange habe man auf eine „abstinenzorientierte“ Beratung gesetzt, heute arbeite man „akzeptanzorientiert“. Das bedeutet, dass ein Patient seinen Konsum nicht unbedingt ganz einstellen muss, in manchen Fällen kann er auch einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Substanz lernen. Das müsse von Fall zu Fall mit dem Betroffenen gemeinsam entschieden werden, sagt Quand: „Die Strategie kann sich auch ändern, je nachdem, was funktioniert und was nicht.“ Handlungsbedarf sieht man in der Beratungsstelle auch bei der Politik, das Team unterstützt die geplante Legalisierung von Cannabis. „Es bringt nichts, jemanden, der schon mit seiner Sucht zu kämpfen hat, auch noch zusätzlich zu bestrafen“, meint Quand.

Die Ursachen der Sucht zu benennen, ist manchmal nicht leicht. „Bei manchen sind es psychische Erkrankungen, wie Depressionen“, erläutert Eckhardt, „bei anderen entwickelt sich eine solche Erkrankung aber auch erst durch die Sucht.“ Was zuerst da war, könne man häufig gar nicht sagen. Es gebe auch Patienten, die trotz eines scheinbar sorglosen Lebens in eine Sucht verfielen. „Manchmal beginnt es einfach damit, dass man zu häufig mit seinen Freunden zwei oder drei Schorle trinken geht“, sagt die Suchtberaterin.

Rückfall keine Schande

Der Weg aus der Sucht sei lang und oft mit Rückfällen verbunden, erklärt Quand. „Ein Rückfall ist jedoch nicht immer schlimm, manchmal hilft er dem Betroffenen auch besser zu verstehen, auf was er achten muss, um clean zu bleiben.“ Wer einmal süchtig war, müsse ein Leben lang darauf achten, nicht wieder in alte Muster zu verfallen, ergänzt Hartlage. Sie erklärt ihren Klienten das Suchtgedächtnis gerne mit einem Modell: „Im Gehirn des Menschen existieren, bildlich gesprochen, Straßen. Wird eine davon besonders stark befahren, wird sie zu einer breiten Autobahn, wird sie lange nicht mehr befahren, verkümmert sie zu einem kleinen, überwucherten Weg. Gänzlich verschwinden wird sie allerdings nie.“

Den Menschen aus ihrer Sucht herauszuhelfen, ist für Hartlage eine Herzensangelegenheit: „Unsere Klientel ist sehr bunt, und es macht mir großen Spaß, mich immer neuen Herausforderungen zu stellen.“ Manchmal könne der Beruf jedoch auch belasten, besonders bei schlimmen Schicksalen wie einer gewaltvollen Kindheit, sagt Quand.

Ein besonders wichtiger Punkt in der Suchtberatung sei das Netzwerken mit anderen Einrichtungen. Man arbeite eng mit dem Christlichen Jugenddorf, der Selbsthilfegruppe des Roten Kreuz, der Tagesbegegnungsstätte Lichtblick sowie Suchtkliniken und Therapiestellen zusammen. Ein besonderes Augenmerk liege auch auf der Prävention an Schulen.

Info

Zu erreichen ist die Beratungsstelle Montag bis Freitag von 9 bis 11.30 Uhr telefonisch unter 06321 9274980. Montags von 16 bis 18 Uhr ist offene Sprechstunde. Zusätzlich gibt es montags zwischen 16 und 17 Uhr einen offenen Treff. Es gilt die Vertraulichkeit aller Gespräche. Auch mit offiziellen Stellen erfolgt kein Austausch ohne Absprache mit dem Betroffenen.

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