Neustadt Beppo Straßenkehrer weiß Bescheid

Hassloch. „Momo“ von Michael Ende. Es gibt wohl kaum einen Deutschen über 40, der den Roman und die Verfilmung mit Radost Bokel in der Hauptrolle aus dem Jahr 1986 nicht kennt. Eine Bühnenversion dieses Stoffes feiert nun unter dem Titel „Momo und die grauen Herren“ am 3. Juli in Haßloch Premiere. Rund 20 Darsteller des „Theaters im Hof“ und der „Haßlocher Märchenbühne“ sind derzeit intensiv mit den Proben beschäftigt.

„Vereinzelung, Termindruck, Zeitnot“ – das Thema von „Momo“ sei „aktueller denn je“, findet Regisseur Armin Jung, der als einer der „grauen Herren“ auch selbst mitspielt. Seine Inszenierung sei von daher nicht märchenhaft angelegt, sondern „sehr realistisch“, so der Neustadter Dekan. Dieses Regiekonzept finde auch im reduzierten Bühnenbild eines stilisierten Amphitheaters und in der Alltagskleidung der meisten Figuren Niederschlag. Kassiopeia, dargestellt von der neuen Mitspielerin Tamara Jesberger, solle allerdings tatsächlich als Schildkröte kostümiert auftreten. Die Handlung nach dem 1973 erschienenen Roman, den Jung selbst in Bühnenform gebracht und gekürzt hat: In einer Phantasiewelt, die sehr an eine zeitgenössische italienische Kleinstadt erinnert, ist die Gesellschaft der grauen Herren am Werk. Sie versuchen, alle Menschen dazu zu bringen, Zeit zu sparen. In Wahrheit werden die Menschen aber um ihre Zeit betrogen. Denn während sie versuchen, Zeit für später zu sparen, vergessen sie im Jetzt zu leben. Als die Welt schon fast den grauen Herren gehört, beschließt der weise Meister Hora, der geheimnisvolle „Verwalter der Zeit“, zu handeln. Er hält die Zeit an, wodurch die ganze Welt zum Stillstand kommt, und schickt seine Schildkröte Kassiopeia mit Momo in den Kampf gegen die übermächtig erscheinenden grauen Herren. Schon seit vielen Jahren habe er „Momo“ einmal auf die Bühne bringen wollen, erklärt Armin Jung. „Doch erst jetzt wurde das durch die Kooperation mit der Haßlocher Märchenbühne möglich.“ Zwar sei „Momo“ in seinen Augen keineswegs ein reines Kinderstück, doch seien dafür viele junge Mitspieler vonnöten, auch jüngere Kinder. Die meisten Mitspieler seien diesmal zwischen 18 und 25 Jahre alt, so der Regisseur. Die 20 Darsteller stemmen seinen Worten zufolge rund 30 Rollen. Bei der „Märchenbühne“ hat sie schon umfangreiche Bühnenerfahrung gesammelt, meisterte als Alina in dem Stück „Welt der kleinen Wunder“, von Tommy Schmidt 2011 inszeniert, auch bereits eine Hauptrolle. Nun steht die 19-jährige Marlene Mildenberger als Hauptfigur Momo zum ersten Mal im Hof des Ältesten Hauses in Haßloch auf der Bühne. Bei der Probe ist gerade ein Schlüsseldialog dran, eine Szene von Momo mit Beppo Straßenkehrer, im Film verkörpert von Mario Adorf, in der Haßlocher Inszenierung von Theaterroutinier Tommy Schmidt. „Siehst du, Momo“, sagt er, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“ „Du solltest ein paar mehr Besenstriche machen“, unterbricht Regisseur Jung die Szene. „Wenn ich meinen Text kann“, verspricht Schmidt, der noch mit dem Textbuch in der Hand probt. Und so klingt es fast ein bisschen so, als würde Schmidt Endes nächste Sätze auch für sich selbst sprechen: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, nur an den nächsten Schritt, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich, und immer wieder nur an den nächsten.“ Schmidt nickt bedächtig und fährt fort: „Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.“ Termine Theater im Hof und Märchenbühne feiern am Freitag, 3. Juli, um 20 Uhr mit ihrem Sommerstück „Momo und die grauen Herren“ Premiere im Hof des Ältesten Hauses, Gillergasse 11, in Haßloch. Weitere Aufführungen gibt es dort am 4. Juli, 10. und 11. Juli, 17. und 18. Juli sowie 24. und 25. Juli, ebenfalls jeweils um 20 Uhr. Dauer: etwa drei Stunden mit Pause. Karten (12 Euro) bei Bücher Friedrich, Langgasse 101, in Haßloch (06324/ 80790).

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