Neustadt Mit neuem Mann und alter Frische

Spaziergang über die Tische: Frontmann Johannes Epremian mit seiner Geige.
Spaziergang über die Tische: Frontmann Johannes Epremian mit seiner Geige.

«Hassloch.» Bereits ihren dritten Auftritt in nur knapp zwei Jahren absolvierte die Cajun-Gruppe „Le Clou“ am Samstag in Haßloch. Mit der häufigen Buchung dieser Band, deren Musik die Kultur der französischen Amerika-Auswanderer im 17. Jahrhundert als Ursprung hat, geht der Kulturverein „Ältestes Haus“ aber kein Risiko ein: Die Klasse der deutsch-französisch-schottischen Combo um den Sänger, Gitarristen und Fiddlespieler Johannes Epremian sorgt stets für großen Besucherandrang.

Auch bei der jetzigen Open Air-Veranstaltung waren alle Tische im Innenhof des Ältesten Hauses besetzt, und nach mehr als zweieinhalb Stunden Konzert ging kein Besucher enttäuscht nach Hause. Dabei waren die Vorzeichen diesmal anders als bei den vorausgegangenen Gigs, da Gründungsmitglied Michel David das Ensemble nach über 40 Jahren verlassen hat. Der 70-jährige Gitarrist, Sänger und Waschbrettspieler stand neben Epremian meist im Mittelpunkt des Geschehens und passte hervorragend zur Chemie von „Le Clou“. Seinen Weggang zu verkraften, war für Yves Gueit (Akkordeon, Flöten, Saxophon), Gero Gellert (Bass) und Ralph Schläger (Schlagzeug) nicht leicht. „Aber da kam Steve Crawford um die Ecke, der menschlich und musikalisch ein großartiger Nachfolger von Michel ist“, freute sich der im Schwarzwald lebende Johannes Epremian im Gespräch hinter den Kulissen. Daneben bringe der aus Aberdeen stammende Schotte Crawford noch etwas anderes mit, was ihn mit den Franzosen in der Kapelle verbinde, nämlich seine kritische Einstellung Engländern gegenüber, erzählte Epremian mit einem verschmitzten Augenzwinkern. Außerdem habe die schottische Königin Maria Stuart Französisch gesprochen – ein weiteres Zeichen für das damals wie heute bestehende gute Verhältnis zwischen Schottland und Frankreich. Geschichten wie diese – lustig, aber mit historisch verbürgtem Hintergrund – weiß der in Freiburg geborene 58-jährige Sohn einer Deutschen und eines Armeniers auch während des Auftritts viele zu erzählen. Der interessierte Zuhörer wird auf diese Weise immer mehr mit der Entstehungsgeschichte der Cajun-Musik vertraut gemacht und glaubt sich plötzlich mitten in einem Fest in Louisiana, der Heimat der Cajuns, wiederzufinden, bei dem gefeiert, musiziert und viel getanzt wird. Cajun besteht zu einem Großteil aus Walzern und schnellen Two Steps. „Wir spielen altmodische Tanzmusik“, behaupten Epremian und seine Mitstreiter, straften sich dafür aber gleich beim ersten Stück des Abends, dem schnellen „Bosco Stomp“, selber Lügen. Der Titel enthält zwar jede Menge traditionelle Songstrukturen, wirkt dadurch aber keinesfalls altbacken oder angestaubt, sondern kommt wunderbar zeitgemäß daher. Auch das kurz darauf folgende Titelstück ihrer aktuellen CD „Pierre qui roule“, ein Blues, der die Geschichte des Sisyphus zum Thema hat, bewies, dass „Le Clou“ durchaus in der Lage sind, moderne Elemente mit klassischem Liedgut zu kombinieren. Dazwischen gelang es dem Quintett immer wieder, fröhliche Nummern wie „Rosalie“ oder „Chocolate“ einzuflechten und damit die gute Stimmung weiter anzuheizen. Die Folge davon: Immer mehr Gäste erhoben sich von ihren Plätzen, um vor der Bühne zu tanzen. Auch die Musiker fühlten sich sichtbar pudelwohl und strotzten vor Spielfreude. Deutlich erkennbar war, dass ein wichtiger Auslöser dafür Steve Crawford ist. Der Benjamin der Cajuners hat der Gruppe mit seiner Unbekümmertheit frischen Wind eingehaucht und dafür gesorgt, dass sie auch 42 Jahre nach ihrer Gründung nicht in Routine verfällt. Mit seinem soliden Rhythmusgitarrenspiel, seinen hervorragenden Beiträgen zum Harmoniegesang mit Epremian und Gueit und seinem souveränen Umgang mit dem Waschbrett als Rhythmusinstrument, ist er mitverantwortlich dafür, dass auch der Rest der Truppe wieder bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geht. Crawford schaffte es stellenweise sogar, dem ansonsten immer recht stoisch dreinblickenden Gueit ein anerkennendes Lächeln abzugewinnen. Auch Johannes Epremian fühlte sich in seiner Rolle als alleiniger Frontmann spürbar wohl. Er hat nun bei jeder Nummer den Leadgesang, was ihn zwar gewaltig fordert, aber er steht nie still und nimmt auch mal ein Bad in der Menge, um bei einem Spaziergang über die Tische seine Geige zu spielen. Trotzdem ist „Le Clou“ keine „One-Man-Show“ sondern einfach ein gut funktionierendes Team, das es als seine Aufgabe sieht, den Besuchern, die Eintritt bezahlt haben, beste Unterhaltung zu bieten. In Haßloch ist dieses Unterfangen erneut rundherum gelungen.

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