Neustadt „Hohes Maß an Dreistigkeit“

Stein des Anstoßes: das von Günter Moses auf die Großleinwand projizierte Bild der Rehbach-Schneise mit Schriftzug.
Stein des Anstoßes: das von Günter Moses auf die Großleinwand projizierte Bild der Rehbach-Schneise mit Schriftzug.

Wie in jedem Jahr hatten sich beim Neujahrsempfang in der Aula des Gymnasiums am 12. Januar zahlreiche Vereine auf der Empore vorgestellt. Darunter war auch der Verein „Bürgerengagement Haßloch“, unter dessen Dach die Bürgerinitiative (BI) „Hochwasserschutz ja – Rehbachverlegung nein“ arbeitet. Diese Präsentation hat aber nach Ansicht von Bürgermeister Lorch in diesem Jahr Günter Moses „für seine Zwecke genutzt“ und versucht, „politisch Stimmung gegen die Rehbachverlegung“ und hier vor allem gegen Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld (CDU) zu machen. Aus einem Schreiben Lorchs an den Verein „Bürgerengagement“, das der RHEINPFALZ vorliegt, geht hervor, womit Moses nach Ansicht des Bürgermeisters „ein ungebührliches Verhalten an den Tag gelegt“ habe: Die Gemeinde störe sich nicht daran, wenn ein Verein sachliche Argumente präsentiere, warum er gegen die Rehbachverlegung ist. Doch „personenbezogene Hetzkampagnen unter dem Titel ,Stoppt Ihlenfeld’“ seien im Rahmen des Neujahrsempfangs „deplatziert und unangemessen“. Vor allem stört sich Lorch am Vorgehen von Moses: Es sei „an Dreistigkeit kaum zu überbieten“, die von der Verwaltung gestellte Technik zu missbrauchen. Moses habe seinen Laptop an den Beamer der Schule angeschlossen, „um seine Kampagne gegen Ihlenfeld an die Großleinwand über der Bühne zu projizieren“. Abgespielt hat sich das Ganze wenige Minuten nach dem offiziellen Teil des Neujahrsempfangs, als der Sektempfang für die rund 500 Gäste im hinteren Teil der Aula stattfand. Nach Angaben des Vereins „Bürgerengagement“ war dabei auf der Großleinwand für kurze Zeit eine Folie mit dem Schriftzug „Herr Ihlenfeld - stoppen Sie die Schnapsidee“ und einem Foto der Schneise für die neue Bachtrasse zu sehen. Er selbst habe die Moses’ Aktion nicht mitbekommen, sagte Lorch gestern auf Anfrage der RHEINPFALZ. Mit Unverständnis habe Moses auf die Aufforderung des Zweiten Beigeordneten Ralf Trösch (SPD) reagiert, die Aktion zu unterlassen, heißt es in dem Schreiben weiter. Anschließend habe Moses am Stand des Vereins „Bürgerengagement“ auf der Empore „weiterhin seine Kampagne zur Schau gestellt“. Lorch schreibt, er habe ihn daraufhin persönlich ermahnt, dies zu unterlassen, Moses sei dem „widerwillig“ nachgekommen. Lorch betont in dem Schreiben, es gehe nicht darum, die Meinung des Vereins zu unterbinden. Doch diese Themen zu politisieren und Kampagnen gegen politisch handelnde Personen zu führen, sei bei einem Neujahrsempfang nicht angebracht. Deshalb präsentierten sich dort auch keine Parteien, sondern Vereine und Gruppen, die auf ihre Arbeit aufmerksam machen wollten. „Daher beabsichtigen wir als Gemeinde, die an diesem Abend als Veranstalter und Hausherr fungierte, das Verhalten von Herrn Moses zu sanktionieren“, schreibt Lorch. Dieser habe mit „einem hohen Maß an Dreistigkeit“ versucht, Ihlenfeld zu diskreditieren. Verein: Vom Grundgesetz geschützte Bewertung Lorch hatte dem Verein „Bürgerengagement“ bis 16. Februar Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben. Vorsitzende Barbara Schuster zeigte sich in ihrer Antwort erstaunt über Lorchs „Sichtweise auf eine sachorientierte Meinungsäußerung, einem Rechtsgut, das in unserer Gesellschaft einen sehr hohen Rang einnimmt“. Der Schriftzug habe gelautet: „Herr Ihlenfeld - stoppen Sie die Schnapsidee“, was weder eine Verunglimpfung noch eine Hetze darstelle. Es sei lediglich die grundgesetzlich geschützte Bewertung einer Maßnahme, die von der Mehrheit der Bürger abgelehnt werde. Der Verein unterstütze Bürger bei ihrem ehrenamtlichen Engagement, Bürgerbeteiligung helfe in komplexer werdenden Prozessen in Kommunen und bei der Akzeptanz von Entscheidungen. „Es kann nicht in Ihrer Absicht liegen, dieses Engagement zu unterbinden oder zu sanktionieren“, so Schuster. Lorch: Richtet sich nicht gegen die Meinungsfreiheit Im Gespräch mit der RHEINPFALZ ließ Lorch gestern offen, welche Sanktion die Verwaltung erlassen will. Nachdem er in der Antwort des Vereins „keine Einsicht“ gesehen habe, werde er das Thema mit ins nächste Beigeordnetengespräch nehmen. Eine Geldbuße komme nicht in Frage, aber denkbar sei es, den Verein oder die betreffende Person beim nächsten Neujahrsempfang auszuschließen. Lorch betonte, sein Vorgehen richte sich nicht gegen die Meinungsfreiheit. Aber politische Statements hätten bei der Selbstdarstellung der Vereine auf der Empore bei einem Neujahrsempfang nichts verloren. Deshalb seien dort auch keine Parteien vertreten. Sachliche Information sei in Ordnung, so Lorch, aber „nicht in dieser Weise“. Es könne nicht angehen, die Gastfreundschaft derart auszunutzen, wie Moses das getan habe. Als Gastgeber des Neujahrsempfangs könne er dieses Verhalten „nicht tolerieren“. Lorch: „Wir können uns nicht alles gefallen lassen.“ Moses: Aktion sollte ein Gag sein Günter Moses bestätigte auf Anfrage der RHEINPFALZ im Wesentlichen Lorchs Darstellung der Ereignisse. Es habe sich aber nur um „vielleicht 25 Sekunden“ gehandelt, in denen besagtes Bild auf der Großleinwand zu sehen gewesen sei. Als der Beigeordnete Trösch aufgetaucht sei, habe er seinen Laptop sofort abgestöpselt. Danach habe er das Foto mit dem Schriftzug am Stand des Vereins auf der Empore an die Wand geworfen, bis der Bürgermeister ihn mit dem Hinweis auf das Hausrecht aufgefordert habe, dies zu beenden. „Es sollte ein Gag sein“, sagte Moses, er habe seine Aktion – für die er allein verantwortlich sei – „humoristisch“ gemeint. Das Argument, politische Statements seien beim Neujahrsempfang nicht angebracht, ließ er nicht gelten: Auch der Verein „Grüne Lunge“, der BUND oder der Förderverein Kolokani hätten ihre Information auf der Empore mit politischen Botschaften verbunden. Moses: „Es ist ein Armutszeugnis für die Obrigkeit, die freie Meinungsäußerung zu beschneiden.“ Gegen eine wie auch immer geartete Sanktion werde er sich unter Umständen juristisch zur Wehr setzen, kündigte er an.

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