Neustadt Gerappter Geschichtsunterricht

Mit viel Flow in Freiburg: die „Leibniz“-Rapper und Lehrer Christof Miszori (Zweiter von links).
Mit viel Flow in Freiburg: die »Leibniz«-Rapper und Lehrer Christof Miszori (Zweiter von links).

Mit einem Song über die deutsch-französischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit überzeugten sie die Jury: Schüler der neunten Klasse des Leibniz-Gymnasiums sind am Dienstag für ihre kreative Arbeit mit dem zweiten Platz im interkulturellen Hip-Hop-Projekt „Ecole du Flow“ belohnt worden. Jetzt dürfen sie sich auf ein professionelles Coaching mit den Machern des Projekts, der Hip-Hop-Band Zweierpasch, freuen.

84 Schülergruppen aus Deutschland und Frankreich waren dem Aufruf des Künstlerduos Felix und Till Neumann – die auch in Neustadt schon als Zweierpasch aufgetreten sind – gefolgt. Die Aufgabe: einen gerappten deutsch-französischen Text plus Video zu Plastikmüll, Konsum, Europa oder Weltkriege zu erstellen. „Da wir im bilingualen Geschichtsunterricht den deutsch-französischen Krieg von 1871 und den Ersten Weltkrieg mit dem Versailler Friedensvertrag von 1919 behandelt hatten, war meine Idee, daraus einen Rap zu machen“, erzählt Lehrer Christof Miszori. „Während eine andere Klasse keine Lust hatte, war die 9c/d gleich neugierig.“ Eigentlich sei Rap nicht ihre bevorzugte Musik. „Aber die Texte von Zweierpasch sind gut, sie behandeln Themen, über die es sich zu reden lohnt“, erklärt Ruven Vogt. Und so stürzten sich die Teenager im Dezember in die kreative Arbeit. Im Geschichtsunterricht hatten sie bereits Texte über die verschiedenen Sichtweisen von Franzosen und Deutschen auf die Ereignisse von 1871 und 1919 geschrieben. Nun mussten Reime gefunden werden, Silben gezählt und auf die Beats des Zweierpasch-Songs gelegt werden. Nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Französisch. Überstunden waren an der Tagesordnung. „Allein ist so ein Projekt gar nicht zu stemmen“, stellt Miszori fest, der auf die Unterstützung seiner Kollegin Imke Deeters zählen konnte. Die Musiklehrerin zeigte den Schülern, wie aus einem guten Text ein mitreißender Rap wird, wie der sogenannte Flow entsteht. „Beim Rap besteht die Herausforderung darin, dass man nicht dem Textfluss, sondern dem Rhythmus folgen muss“, erklärt Deeters, die außerdem das zusätzliche Geigensolo komponierte und den Nachwuchsrappern genügend Bühnenpräsenz vermittelte. „Ich war überrascht, wie gut die Schüler gesungen haben“, staunt Miszori. „Auch die Jungs haben sich getraut. Manchmal weiß man gar nicht, was sich für Talente in einer Klasse verbergen.“ Die Schüler steuerten nicht nur Stimmen, sondern auch Instrumente bei: Zoe Bachmann spielte das Geigensolo, am Klavier saß Sarah Terres, den Beat an der Cajón lieferte Lennart Scheuer. Herausgekommen ist ein Text, der die Ereignisse von 1871 und 1919 in Beziehung setzt. Während die Deutschen am 18. Januar 1871 in Versailles ihren neuen Herrscher proklamierten, wählten die Franzosen 1919 exakt den gleichen Tag, um die Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg zu beginnen. „In beiden Fällen waren die Unterlegenen gedemütigt und sannen auf Revanche“, erklärt Miszori. „Zweimal hatten die Politiker die Chance, Frieden und Versöhnung zu schaffen. Zweimal ist es ihnen nicht gelungen.“ Vom 15. Januar – dem Tag des Wettbewerbs – bis zum 18. Januar sind es nur drei Tage, in denen Gutes geleistet werden könne. Zum Beispiel in Form eines deutsch-französischen Rap-Projektes. Und so heißt der Song „N’y a que trois jours – drei Tage nur“ und spiegelt zunächst die Gefühle der Franzosen und Deutschen einmal als Sieger und einmal als Besiegte. Aber dann wenden sich die Rapper zum „Ausblicker“ und schauen auf die Gegenwart: „Du glaubst, drei Tage nur, Versöhnung nicht zu schaffen/Hör gut zu, wir sagen dir: Es geht auch ohne Waffen/Zweiundsiebzig Stunden, x Sekunden, jede zählt/Nimm dein Leben in die Hand, denn du veränderst die Welt.“ Für das Wettbewerbsvideo, das mit einer Rede von Charles de Gaulle beginnt und einer Rede von Konrad Adenauer endet, holte sich die Klasse den Ex-Leibnizianer Christian Gutschaft ins Boot, der heute als Tontechniker arbeitet. Das Ergebnis überzeugte die Jury, die den Neustadter Beitrag zunächst unter die besten fünf wählte. Beim großen Finale am Dienstag in Freiburg folgte dann mit dem zweiten Platz die große Überraschung. „Das Niveau war sehr hoch, und wir sind superstolz auf unseren Erfolg“, berichtet Isabelle Staub, und Lucie Peter erklärt, warum sich die viele Arbeit gelohnt hat: „Es hat Spaß gemacht, und wir sind als Klasse zusammengewachsen. Wir haben gemeinsam etwas Einmaliges erlebt.“

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