Neustadt Die Langsamkeit erleben

Extra für den RHEINPFALZ-Fotografen hat die Qigong-Gruppe das Hallenlicht eingeschaltet. Sonst bewegen sich die Frauen um Qigong
Extra für den RHEINPFALZ-Fotografen hat die Qigong-Gruppe das Hallenlicht eingeschaltet. Sonst bewegen sich die Frauen um Qigong-Lehrerin Petra Birkle (rechts) bei Kerzenlicht.

«Neustadt.» „Bringen Sie unbedingt warme Socken, eine Decke und ein Kissen mit.“ Der Hinweis von Petra Birkle, die die Qigong-Stunde beim SV Geinsheim als Entspannungspädagogin und Qigong-Lehrerin leitet, lässt schnell erahnen, um was es dienstags in der Sporthalle der Grundschule geht: um Entspannung, aber auch um Lebensenergie.

So wird die eher triste Schulturnhalle mit einer großen Kerze nur ein bisschen erleuchtet. Rund um die Kerze hat Petra Birkle Dekoration, diesmal Pinsel, zum Thema ihrer Stunde ausgelegt: Pinselmeditation, „damit wir für den Winter Farbe anlegen können“. Rund um Kerze und Dekoration liegen Gymnastikmatten für jeden Teilnehmer bereit. Im Hintergrund ist leise Entspannungsmusik zu hören. Qigong spreche man übrigens Tschigong aus, informiert Birkle, und heiße übersetzt „bewegte Energie“. Birkle: „Man bewegt die Lebensenergie mit Übungen aus der traditionellen chinesischen Medizin.“ Qigong sei für jede Altersklasse geeignet, könne im Stehen, Sitzen oder Liegen gemacht werden. „Ich habe Qigong schon mit Menschen im Rollstuhl gemacht“, erzählt die Übungsleiterin. „Hauptsache, man macht etwas.“ Die Gruppe in Geinsheim ist bereits seit fünf Jahren aktiv. „Qigong bringt Harmonie in Geist und Körper durch fließende Bewegungen“, schwört die 52-jährige Barbi auf die Übungen. „Legt euch in eure Lieblingsposition, kuschelt euch ein“, lädt Birkle ihre Schützlinge, alles Frauen im Alter von 49 bis 82 Jahren, zum Entspannen ein. „Schließt die Augen. Konzentriert euch auf euere Atmung.“ Mit ruhiger Stimme gibt sie weitere hilfreiche Anweisungen, um locker zu werden: „Wenn Gedanken kommen, die Du nicht brauchst, setze sie auf eine Wolke und blase sie fort.“ Dann stellt sich jeder Teilnehmer vor, wie er sich mit einem Pinsel nach und nach den Körper mit einer selbst gewählten Farbe anmalt: erst die Füße, die Zehen, die Beine, dann Arme, Schultern und Rücken. „Male nun rund um deinen Hals, gehe nur vorsichtig an deinen Kopf, an Augen, Lippen und Ohren.“ Nach der Malaktion „komme langsam zurück, recke und strecke dich“. Petra Birkle ist überzeugt von den Selbstheilungskräften des Körpers, die jeder mit Qigong aktivieren könne. „Man sieht schnell ein Ergebnis“, sagt sie. „Man kriegt sofort einen klaren Kopf.“ Sie kündigt an, dass jeder ein Ergebnis besonders am Morgen nach den Übungen merkt: „Dann kann man Bäume ausreißen.“ Inzwischen sitzen alle auf ihren Matten, das Tonen beginnt. „Zuerst das I“, sagt Birkle und legt wie alle anderen die Hände seitlich an den Kopf: „Iiiiiiiiiiii“, tönt es durch die Halle. „Uuuuuuuu“, heißt es, als alle die Hände auf den Unterleib legen. Tonen komme eigentlich aus dem Yoga, erklärt die Entspannungspädagogin. „Unserem Atemmuskel, dem Zwerchfell, wird mehr Spielraum gegeben“, erläutert Birkle. Sie verbindet das Tonen nicht mit Übungen, sondern mit bestimmten Körperhaltungen. Dies könne Schlacken lösen, die dann über die Atmung ausgeschieden werden könnten. Wohltuend ist auch die neurolinguistische Massage (NLP), die partnerweise ausgeführt wird: Derjenige, der massiert, steht hinter dem Partner, legt ihm eine Hand sanft an die Stirn. Mit den Fingern der anderen Hand massiert er rechts und links von der Wirbelsäule. „Dann legt eure Hände auf die Schultern des Partners und versucht zu spüren, ob eure Atmung im Gleichklang ist mit der eures Partners“, ruft die Übungsleiterin. Bald beginnen alle mit den Übungen. „Wir sind in der Grundstellung, der Reiterstellung“, sagt Birkle. „Hüftbreit gegrätscht, Knie leicht gebeugt, die Zungen am Gaumen.“ Beim Qi nehmen alle die Arme nach vorne hoch und atmen dabei ein und aus. Beim Regenbogen werden die Arme über den Kopf geführt, das Gewicht wird im Wechsel nach rechts und nach links verlagert. Bei der Wildgans-Übung nehmen alle ebenfalls die Arme über den Kopf, die Handrücken liegen aneinander. Dann schwingen die Arme wie Flügel nach unten und wieder hinauf, „wir gehen dabei leicht in die Knie“. Zum Ende der Stunde wird’s noch einmal gemütlich. „Wir rücken ans Lagerfeuer“, meint eine Teilnehmerin lachend. „Wir trinken jetzt Tee“, erklärt Ursula Kästel, beim SV Geinsheim für den Freizeitsport verantwortlich, ein Ritual dieser Gruppe. Plötzlich hat Petra Birkle drei große Teekannen sowie -tassen hervorgezaubert und bietet Ingwerwasser, Lemon-Cake-Tee sowie „Spanische Orange“ an. Am Lagerfeuer wird über dies und das geplaudert, zum Beispiel auch darüber, warum keine Männer in der Gruppe sind. „Die sind zu bequem“, überlegt Wiltrude. Petra Birkle erzählt, dass in ihrem Kurs in Schwegenheim, den sie seit zehn Jahren habe, auch Männer seien. „Ich finde es wunderbar, wenn ich mal eine Stunde lang nicht spreche“, verrät die 49-jährige Vera. Für sie sei Qigong Entspannung vom stressigen Job. „Und man bleibt elastisch im Alter“, ergänzt die 82-jährige Wiltrude. Petra Birkle bewundert sie: „Sie läuft mit kerzengerader Haltung in die Halle.“ Eine Besonderheit an der Qigong-Stunde ist auch, dass Birkle zu Beginn und zum Ende eine Geschichte mit sanfter Stimme erzählt. „In unserer stressigen Zeit ist es wichtig zu entschleunigen, die Langsamkeit zu erleben“, betont die Übungsleiterin. Kontakt Wer sich für Qigong beim SV Geinsheim interessiert, wendet sich an Entspannungspädagogin Petra Birkle, Telefon 06344/8895, oder an Abteilungsleiterin Ursula Kästel, Telefon 06327/4558.

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