Ludwigshafen „Wir stehen geschlossen hinter Lucke“

Die AfD steht vor einer Zerreißprobe: Dem bürgerlichen Lager um Parteichef Bernd Lucke (52) steht speziell im Osten das nationalistische Lager um Parteisprecherin Frauke Petry (39), AfD-Vorsitzende in Sachsen, gegenüber. Mit Jörg Matzat (42), Chef der Ludwigshafener Stadtratsfraktion (fünf Sitze) und Vorsitzender des Kreisverbands (57 Mitglieder), haben wir über den Konflikt und eine mögliche AfD-Spaltung gesprochen.

Herr Matzat, wie lange halten Sie das Chaos in der AfD noch aus?

Das ist eine berechtigte Frage, die ich im Moment aber nicht klar beantworten kann. Wovon hängt Ihre Antwort ab? Vom Parteitag Mitte Juni in Kassel. Was muss denn passieren, damit Sie der AfD treu bleiben? Für mich ist es wichtig, dass Lucke mit seiner bürgerlichen Position gestärkt aus dem Parteitag hervorgeht. In Petrys Windschatten sind Leute wie Marcus Pretzell und Björn Höcke, die für mich ganz klar für einen nationalen Kurs stehen, der sich nah am rechten Rand bewegt. Geben Sie und Ihre Kollegen das Parteibuch ab, falls sich die Lucke-Kritiker durchsetzen? Das wäre dann jedenfalls nicht mehr die ursprüngliche AfD. Ein Weitermachen als Kreisvorsitzender könnte ich mir dann nicht mehr vorstellen. Luckes „Weckruf 2015“ hat Sie wachgerüttelt. Gilt das auch für den Rest Ihrer Mannschaft? Fraktion und Kreisverband haben sich am Mittwochabend mit dieser Initiative beschäftigt. In der Fraktion mit mir an der Spitze stehen wir geschlossen hinter Lucke und sind seiner Initiative bereits beigetreten. Diesen Schritt werde ich auch dem Kreisvorstand empfehlen. Was ist bei der AfD in der Vergangenheit schiefgelaufen? Es gibt zwei Entwicklungen, die das AfD-Schiff auf rechte Schlagseite gebracht haben: die Frage, wie man mit der Pegida-Bewegung umgeht, und die Erfolge im Osten, wo die AfD mit ganz anderen Themen in den Wahlkampf gezogen ist als im Westen. Das hat aus meiner Sicht zu einer Fehlentwicklung in der Partei geführt und die Pole verschoben. Das Fischen am rechten Rand hat der AfD offenbar extrem geschadet. Die Partei steht vor einer Spaltung. In Teilen der Bevölkerung hat sie damit sicherlich viel Kredit verspielt. Nichtsdestotrotz ist der Wunsch da, dass es eine bürgerliche Partei gibt, die sich mit dem Euro und den EU-Institutionen kritisch auseinandersetzt. Das ist nach wie vor spürbar. Ohne Bernd Lucke an der Spitze bricht die AfD auseinander – das haben Sie unserem letzten Interview prophezeit. Scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, oder? Es spricht einiges dafür, dass die Partei so, wie sie 2013 gegründet worden ist, nach dem nächsten Parteitag nicht mehr vorhanden sein wird. Es muss doch wehtun, wenn man mitbekommt, dass die politische Konkurrenz genüsslich verfolgt, wie die AfD sich selbst zerlegt. Sie sind ja Polizist und kein Masochist. (lacht) Ja, das ist eine schwierige Situation. Allerdings habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ich habe von Beginn an einen strikten Kurs gegen rechte Auswüchse gefahren. Und das in einem schwierigen sozialen Umfeld wie Ludwigshafen mit hohen Wähleranteilen der Republikaner und der NPD. Wir haben es geschafft, eine bürgerliche Klientel anzusprechen und uns als Partei durchgesetzt. Der Kreisverband hat meine Position immer mitgetragen. Sie leben in Rheingönheim – wenn Nachbarn Sie ansprechen und fragen: Wie kannst Du diesem Verein noch angehören? Was sagen Sie da? Ich sage Ihnen, dass man es als Ludwigshafener AfD allein nicht in der Hand hat, wie sich die Partei entwickelt. Es ist in der Tat schwierig, deren desolaten Zustand aktuell zu erklären. Ich bin deshalb froh, dass mein Umfeld mich und meine Einstellung sehr gut kennt. Ich kann nur meinen Verantwortungsbereich regeln. Wenn man zwei Jahre Herzblut und Freizeit für diese Aufgabe geopfert hat, wirft man nicht voreilig das Handtuch, sondern überlegt genau, wie man weiter verfährt. Und wie? Die rote Linie ist für mich ein Bundesvorstand Petry/Pretzell/Höcke. Dieses Trio würde ich definitiv nicht unterstützen. (Fotos: dpa/privat)

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