Ludwigshafen Wie aus einem Guss

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Auf dem Cover prangt der Kopf einer prächtigen Eidechse, eindeutig eine Hommage an den Lizard King, den „Eidechsenkönig“ und Doors-Sänger Jim Morrison. „Doors without Words“ heißt denn auch das zweite Album des Jazz Ensembles Baden-Württemberg. In neuer Besetzung hat die Gruppe eine CD mit neun eigenwilligen Bearbeitungen von Songs der amerikanischen Rockband aufgenommen.

Die Doors ohne Worte, also ohne den Gesang des jung gestorbenen charismatischen Jim Morrison? Ist das nicht, als würden einem die Hits der Beach Boys mit ihrem vielstimmigen Gesang als Instrumentalnummern serviert? Tatsächlich waren einige Songs der Doors vorrangig Vertonungen von Gedichten Morrisons. Über dessen beherrschenden Einfluss wird jedoch leicht vergessen, dass seine drei Mitspieler virtuose Instrumentalisten waren und ihre Musik dem Jazz nie allzu fern stand. Nicht lange nach Morrisons Tod 1971 und nach der Auflösung der Band nahm Keyboarder Ray Manzarek, von der klassischen Musik herkommend, eine Platte mit Tony Williams, dem langjährigen Schlagzeuger von Miles Davis, auf. Gitarrist Robbie Krieger, vom Flamenco beeinflusst, schlug einen ähnlichen Weg ein, und Schlagzeuger John Densmore kam direkt vom Jazz zu der Band und eiferte Elvin Jones nach. Auch auf ihren Studio-Produktionen zeigte sich die Band stets offen für Jazzeinflüsse. So spielte beispielsweise auf „The Soft Parade“ Harvey Brooks, der auch zur „Bitches Brew“-Besetzung von Miles Davis gehörte, den Bass, den bei Live-Auftritten der Doors meistens Ray Manzarek mit der Orgel beisteuerte. „The Soft Parade“, das mit der Verstärkung durch Saxophon, Posaune und Englischhorn neben Orchesteruntermalungen als das „Sergeant Pepper“-Album der Doors gilt, wäre der Besetzung des Jazz Ensembles mit seiner vierköpfigen Bläsergruppe am meisten entgegengekommen. Von dem Album haben die deutschen Jazzer jedoch nur „Touch Me“ in ihre Auswahl aufgenommen. Das Original klang mit einem kurzen Saxophon-Solo von Curtis Amy aus, in der Version des Jazz Ensembles bekommt es ein psychedelisch angehauchtes Vorspiel. Peter Lehel übernimmt mit dem Sopransaxophon die Gesangsmelodie auf dem für Rockmusik selten melodiösen Song und bekommt, wie auch Schlagzeuger Christian Huber, Gelegenheit zu einem Solo. Überhaupt gehen die Arrangements sehr eigenwillig mit den Vorlagen um. Von dem für die frühen Doors typischen Orgelsound bleibt in der Jazzadaption wenig übrig. Die an Bachs Invention Nummer acht angelehnte Orgelintroduktion zu „Light My Fire“ etwa ist als Bläsersatz arrangiert, und die Soli übernehmen Sebastian Nagler mit dem Bariton- und Peter Lehel mit dem Tenorsax. Fast klingt ihre Version so, als hätten sich nach José Feliciano auch die Jazzrocker von Blood, Sweat and Tears des Doors-Hits angenommen. Dafür spielt Johannes Bartmes auf der Hammond Orgel ein Solo, wo es kaum zu erwarten war, nämlich auf „The Spy“, unterlegt mit einem Swing-Rhythmus, während Sebastian Naglers Baritonsax und Thomas Sifflings Trompete coole Baratmospäre verbreiten. Gleich auf dem Eröffnungsstück „Waiting for the Sun“ zeigt Gitarrist Jo Ambros sein Können, aber angesichts der Bläserdominanz längst nicht so ausgiebig wie seinerzeit Robbie Krieger. Bassist Dirk Blümlein und Thomas Sifflings Trompete übernehmen hier die Gesangsmelodie, und raffinierte Bläsersätze beherrschen den Eindruck. „Blue Sunday“ wird gleich insgesamt zur Cool-Jazz-Nummer. Die Arrangements hat sich das Ensemble von dem Berliner Komponisten Nicolai Thärichen, der auch schon Musik von Jimi Hendrix bearbeitet hat, besorgen lassen. Während sich die Doors auf den sechs Studio-Alben in den sechs Jahren ihres Bestehens durch verschiedene Stile bewegt haben – vom sogenannten Psychedelic Rock der Frühzeit über besagte Experimentalphase auf „The Soft Parade“und Hardrock auf „Morrison Hotel“ bis zum melancholischen letzten Blues-Album „L. A. Woman“ – , klingen die Adaptionen des Jazz Ensembles wie aus einem Guss. Der Band um Peter Lehel und den eng mit Mannheim verbundenen Thomas Siffling gehören allesamt ausgezeichnete Musiker an, nicht zuletzt Posaunist Uli Röser, der auf „Hello, I Love You“ ein Solo hinlegt. Die 2010 als Quintett gegründete Band hat sich in diesem Jahr neu formiert und zum Oktett erweitert. Den Doors-Song „Break on through to the other side“ hat das Jazz Ensemble dabei nicht nur in einer kaum wiederzuerkennenden funky Swing-Version aufgenommen, es hat den Titel auch zum Motto des ganzen Albums gemacht. Eine musikalische Revolution, wie sie die psychedelische Musik der Doors Mitte der 60er Jahre für die Rockmusik bedeutet hat, ist „Doors without Words“ zwar nicht. Doch das Album ist eine sehr hörenswerte Bearbeitung von Doors-Songs und ein Genuss für Fans des instrumentalen Rockjazz. CD-Tipp Jazz Ensemble Baden-Württemberg: Doors Without Words. Jazznarts Records 2015. 15 Euro

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