Ludwigshafen Von Bühnenzwergen und Regieriesen

Vor zehn Jahren nahm er Abschied von der Bühne und ist nun glücklicherweise doch zurückgekehrt. Er habe das Theater h zu sehr vermisst, sagte Mario Adorf im ausverkauften Mannheimer Capitol. Mit seinem begeisternden Solo-Abend „Schauen Sie mal böse!“ entführte der 84-jährige Schauspieler sein Publikum in die eigene Biografie.

Wieso er sich nicht vornehm zurückziehe, etwa um Rosen zu züchten oder Landschaften zu malen, weshalb er sich diese Deutschlandtournee in seinem Alter überhaupt noch antue, werde er öfter gefragt, berichtete Mario Adorf. „Weil es mir Spaß macht, die Leute zwei Stunden lang zu unterhalten – und mich auch.“ So bot Adorf tatsächlich allerbeste Unterhaltung, indem er aus dem Manuskript seines geplanten Erinnerungsbuches las und zudem sang und spielte. Es war ein Abend der vergnüglichen bis nachdenklichen Anekdoten, der Lieder und Spielszenen. Ein Abend auch voller Erinnerungen an Persönlichkeiten, die Adorf einst beeindruckt und beeinflusst haben. Eingeleitet von Bildern und Filmausschnitten aus seinem Leben wie seiner Karriere, begann Adorf mit den ältesten Erinnerungen aus seiner Heimatstadt Mayen in der Eifel. Im Alter von vier Jahren spielte er dort in einer „Schneewittchen“-Aufführung den stummen siebten Zwerg. Der lange Bart aus Verbandswatte geriet ihm dabei in Mund und Nase, so dass er Tränen vergoss, die das Mitleiden des Publikums erregten. „Mein erster Bühnenerfolg“, urteilt Adorf rückblickend. Die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs, Adorf war 14 Jahre alt, habe er mit seiner alleinerziehenden Mutter weitgehend in einem Luftschutzbunker zugebracht. Dort sei er immer wieder aufgefordert worden zu singen. Mit dem Kinderlied „Mamatschi, schenk’ mir ein Pferdchen“ habe er seine Zuhörer zu Tränen zu rühren vermocht. Der Schlager „Heimat, deine Sterne“, erinnert er, wurde schon im Bunker umgedichtet zu „Heimat, deine Trümmer“. In Mainz, wo er ab 1950 studierte, engagierte Adorf sich gleichzeitig an der Studentenbühne wie in einer universitären Boxstaffel. Äußerst anschaulich berichtete er in Mannheim von einem Tag, an dem er zunächst einen Endkampf und später eine Theaterpremiere zu bestehen hatte. Da ihm das Schauspiel mehr oder zumindest genauso viel bedeutete wie der Sport, wollte er im Ring keine Schrammen oder Veilchen riskieren und kassierte mehrere Verwarnungen wegen zu tiefen Abduckens. Am Abend konnte er dafür unversehrt und erstmals in einer Hauptrolle auf der Bühne stehen. „Schauen Sie mal böse!“ forderte ihn der Regisseur Robert Siodmak auf, der ihn in seinem Serienmörder-Krimi „Nachts, wenn der Teufel kam“ besetzte und ihm damit zum Durchbruch beim Film verhalf. Neben Siodmak erinnerte sich Adorf besonders an die Regisseure Oskar Wälterlin und Fritz Kortner. Nie habe er den Shylock in Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ gegeben, weil ihm Kortners Interpretation so übermächtig erschienen sei. Im Capitol sprach Adorf aber Shylocks Monolog („Hat nicht ein Jude Augen?“) auf eine Weise, die vollkommen einnahm. Vielleicht hatte man den jüdischen Geldverleiher niemals besser gesehen auf einer Theaterbühne. Für Mario Adorfs Dafürhalten freilich, war immer noch zu viel unübertroffener Kortner im Spiel. Genauestes Beobachten hält Adorf für die Grundlage jeder überzeugenden Darstellung. So sieht er sich nicht nur als Schauspieler, sondern zuallererst als aufmerksamer Beobachter des Lebens, auch des eigenen.

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