Ludwigshafen Trip in die Vergangenheit

Nachmittags zwischen drei und fünf ist in der Luitpoldstraße nicht viel los. Ein paar Kinder spielen in einer Einfahrt, die eine oder andere Mutter mit Kinderwagen steuert den kleinen Supermarkt am Ende der Straße an, und die Straßenbahn ächzt regelmäßig am früheren Ratskeller über das Kopfsteinpflaster um die Kurve. Für Ortsvorsteher Günther Henkel (SPD), der seit gut einem Jahr als Nachfolger von Carlo Saxl (CDU) im Gemeindehaus residiert, war es daher beim Stöbern in den Geschichtsbüchern eine Überraschung, dass sich in dieser Straße vor rund 100 Jahren ein Gasthaus ans andere reihte. Überhaupt sei der Stadtteil immer in Bewegung gewesen, berichtete der 57-Jährige, habe sich häufig auf Neues einstellen müssen und war zwischen 1797 und 1815 sogar mal ein Teil Frankreichs. Anfang des 18. Jahrhunderts war Friesenheim auch noch deutlich größer als heute, hat er herausgefunden. Auf einer Karte hat Henkel die damaligen Grenzen eingezeichnet, die bis nach Oppau und in den Hemshof reichten, sogar die Friesenheimer Insel zählte seinerzeit noch zum Dorf. Allerdings seien vor 300 Jahren gerade mal 250 Seelen auf diesem Gebiet ansässig gewesen, schilderte Henkel. Es habe viel Landwirtschaft und oft Hochwasser gegeben. Wegen der Nähe zum Rhein sei Friesenheim jedoch schon immer strategisch wichtig gewesen, „hier sind viele Kriege durchmarschiert“, fasste der Ortsvorsteher zusammen, es habe verschiedene Rechtssysteme gegeben, die Besitzverhältnisse hätten sich oft geändert. An der Straßenbahnhaltestelle Hagellochstraße startete Henkel seinen rund 90-minütigen Trip in die Vergangenheit. Wo sich heute auf beiden Seiten der Luitpoldstraße kleine Grünflächen finden, waren einst ein Kleinbahnhof und ein Gewürzhandel, eine sogenannte Spezerei, samt Wirtschaft „Zur Lokalbahn“. Wirtschaften habe es um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in der Luitpoldstraße jede Menge gegeben, erfahren die aufmerksamen Zuhörer. Im Haus Nummer 13 praktizierte als einer der ersten Ärzte im Stadtteil Julius Hammer. Der habe seine Patienten in der benachbarten Kneipe warten lassen und ihnen strengstens verboten, dort Alkohol zu trinken. Einen besonders alten Fund hat Günther Henkel im Haus der Kfz-Werkstatt Fahlbusch entdeckt, die ihre Pforten für die Besuchergruppe öffnete. Über einem Kellereingang ist dort ein Stein mit der Jahreszahl 1613 zu sehen. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte die Friesenheimer SPD sagenhafte 550 Mitglieder, stellte Henkel bei seinen Studien der Stadtteilgeschichte fest. 62 Kneipen seien in dieser Zeit in sozialdemokratischer Hand gewesen. Aus gutem Grund: Wegen der damaligen Sozialistengesetze verloren viele Parteimitglieder ihren Job, und es blieb ihnen wenig anderes übrig, als sich als Wirt selbstständig zu machen. Heute tun sich Gaststätten in Alt-Friesenheim schwer, weiß Henkel. Die Weinstube Reblaus in der Nummer 20 steht seit Jahren leer, auch wenn das Schild noch an der Fassade prangt. Und auch in der Nummer 34 gibt es schon seit rund einem Jahr keine griechischen Spezialitäten mehr, auch wenn es auf den ersten Blick noch so aussieht. Viele ehemalige Gasträume werden Henkel zufolge daher in Wohnungen umgewandelt. Traurig nannte er die Geschichte des Ratskellers, der zunächst eine reine Weinwirtschaft war. Vor knapp zehn Jahren sei das Gebäude an einen Asiaten versteigert worden, der wohl auch Pläne für das Anwesen gehabt habe. Aber in der Nacht nach der Versteigerung hätten Vandalen in dem Haus alle Leitungen zerschlagen und mitten im kalten Winter einen schlimmen Wasserschaden angerichtet. Inzwischen habe der Besitzer zwar das Dach des Gebäudes neu gedeckt. Ins Gespräch sei er mit dem Investor, der im Schwabenland leben soll, aber noch nicht gekommen, bedauerte Henkel. Die nächste Stadtteilführung kündigte der Ortsvorsteher zum Abschluss bei Kaffee und Donauwellen für den 8. Juli an. Dann will sich der Friesenheimer mit der Geschichte der übrigen Häuser in der Luitpoldstraße beschäftigen. Noch Fragen? Interessenten können sich unter Telefon 512035 bei Martina Weilacher anmelden. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 begrenzt. Treffpunkt ist wieder um 15 Uhr am Gemeindehaus am Otto-Buckel-Platz.

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