Ludwigshafen Tanzbare Kapitalismuskritik

Warum Stühle? Eine Frage, die sich viele Besucher des Konzerts des Afro-Beat-Musikers Seun Kuti beim Enjoy-Jazz-Festival im BASF-Feierabendhaus gestellt haben. Die Mischung aus Funk und Jazz zwang die Zuhörer fast dazu, sich tänzerisch zu bewegen. Aber der jüngste Sohn des legendären nigerianischen Musikers Fela Kuti hatte mehr zu bieten als fröhliche Tanzmusik.

Das Jahr 1969 gilt als Geburtsjahr des Afrobeat. Begegnungen mit Musikern wie James Brown und Miles Davis und Bürgerrechtlern wie Angela Davis und Stokely Carmichael während eines USA-Aufenthaltes waren die Einflüsse, die Fela Kuti in seine Musik integrierte. Der Sohn eines Pastors und einer Frauenrechtlerin vermischte Funk und Jazz mit den musikalischen Einflüssen seines Kontinents, vor allem dem Highlife, einer gitarrenlastigen Tanzmusik, die damals in Ghana und Sierra Leone populär war. Der 31-jährige Seun Kuti führt nicht nur musikalisch die Familientradition fort. Er ist auch politisch engagiert wie einst sein Vater, der in seinen Texten die korrupten Gesellschaftssysteme und dabei vor allem das damalige Militärregime Nigerias kritisierte. Fela Kuti tat dies nicht nur mit Worten, sondern gründete seine eigene Partei und landete für sein Aufbegehren zwischenzeitlich im Gefängnis. Seun Kuti nahm 2012 an den Occupy-Nigeria-Protesten teil, bei deren Niederschlagung durch die Polizei 16 Menschen getötet wurden. Seun Kuti versteht sich wie sein älterer Bruder Femi als Sachwalter des väterlichen Erbes. 1997, mit gerade einmal 14 Jahren, trat er dessen Erbe als Bandleader an. Nach dem Tod des Vaters übernahm er die Leitung des Ensembles Egypt 80, das ihn auch in Ludwigshafen begleitete. Aus der Urbesetzung sind sogar noch einige Musiker vertreten, allen voran der 1936 geborene Baba Ani, der das Konzert anmoderierte und sich beim ersten Stück mit seinem Baritonsaxophon in die Bläsersektion einreihte. Zwei Percussionisten, ein Schlagzeuger, zwei Gitarristen und ein Bassist sowie zwei Sängerinnen komplettieren das Ensemble, das mit jedem Stück mehr in Fahrt kam. Besonders die langen Stücke entfalteten mit ihrer monotonen Polyrhythmik und dem beschwörenden Sprechgesang Kutis eine zunehmend hypnotisch-mitreißende Wirkung. Bereits nach dem zweiten Stück waren die Seitengänge des Feierabendhauses mit Tänzern bevölkert. Der junge Kuti, der auf dem Altsaxophon einige melodisch griffige Soli spielte, trat in der Mitte des Konzerts auf die Euphoriebremse. Nachdem er in seiner Komposition „IMF“ aus dem aktuellen Album „A long way to the beginning“ den Internationalen Währungsfonds als „international motherfuckers“ verunglimpft hatte, betrieb er auch in einer fünfminütigen Rede beißende Kapitalismuskritik. Aber schnell war die Band wieder auf Touren bei Stücken wie „Higher consciousness“, in dem Seun Kuti die Jugend auffordert, Afrika neu zu gründen – eine Botschaft getragen von einer fast kämpferischen Musik.

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