Ludwigshafen „Sympathie für Figur kommt später“

Die Immobilienkrise in den USA bildet den Hintergrund für das neue Theaterstück von Laura Marks, das als deutsche Erstaufführung am Nationaltheater zu sehen ist. Zwei Menschen in prekärer Lage besetzen ein leerstehendes Haus und versuchen ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Gespielt werden die beiden in Mannheim von Sabine Fürst und Thorsten Danner. Premiere ist am kommenden Samstag.

Über Crystal erfährt man immerhin so viel, dass man sich ihre Situation vorstellen kann: allein lebende Mutter mit einem Kind, verschuldet und ohne festen Wohnsitz, Job als Verkäuferin in einem Autohaus. Als sie in einer Notunterkunft übernachten wollte, hat ihr die Jugendbehörde das Kind weggenommen und zu einer Pflegefamilie gebracht. Jetzt versucht sie, wieder Boden unter die Füße zu bekommen und ist in ein unbewohntes Haus eingebrochen. Dort trifft sie auf Gary, der sich hier ebenfalls illegal eingenistet hat. Der scheint schon länger ohne Job zu sein, macht einen verwahrlosten und psychisch angeschlagenen Eindruck. Dass es über diesen Gary nur diese knappen Informationen gibt, stört Thorsten Danner überhaupt nicht. „Ich muss da keine Lücken ausfüllen, brauche keine vollständige Biografie“, sagt der Schauspieler. „Wenn ich eine Figur spiele, beschäftige ich mich mit psychologischen Dingen sehr wenig. Wichtiger ist die Frage, wie eine Figur handelt“. Sabine Fürst geht bei der Vorbereitung auf eine neue Rolle unterschiedlich vor. Als sie eine der Töchter in „Bernarda Albas Haus“ von Lorca spielte, da bestand diese Figur „ja nur aus zehn Sätzen“, da musste schon die eigene Vorstellungskraft mithelfen, die Rolle mit Leben zu erfüllen. Bei Crystal sei das anders, sagt die Schauspielerin, „die muss lauter Nackenschläge einstecken, hat keinerlei Rückhalt, keinen Ehemann, keine Eltern, da ist niemand. Und irgendwann bricht das in einem Gewaltakt aus ihr heraus.“ Beim Lesen des Textbuches, fand sie diese Frau erst mal nicht sympathisch, das hat sich dann bei der Probenarbeit geändert. Sabine Fürst gehört seit sechs Jahren zum Mannheimer Schauspielensemble. 1980 in Mönchengladbach geboren, begann sie als Tänzerin, besuchte die Münchner Ballettakademie und gehörte zum Ballettensemble der Oper in Chemnitz. Die Lust auf Schauspiel war auch damals schon vorhanden, dann „hat es so drei, vier Jahre in mir gebrodelt“, erinnert sie sich. Rückschläge durch Verletzungen trugen auch dazu bei, mit dem Tanz aufzuhören. 1999 bewarb sie sich für die Schauspielschule und wurde am Max-Reinhard-Seminar in Wien genommen. Es folgten ein paar Filme, ein festes Engagement wieder in Chemnitz, ein bisschen Sommertheater in Karlsruhe und schließlich das Mannheimer Nationaltheater. Dort durfte sie gleich die Lulu spielen in der Inszenierung von Calixto Bieito. „War toll mit diesem Regisseur zu arbeiten“, ist Sabine Fürst immer noch begeistert. Äußerlich sei der ja ein eher ruhiger Typ, aber voller Energie. Bieito schaffe es, dass alle hochmotiviert an die Arbeit gehen, die Probenarbeit sei bei ihm manchmal kurz, dafür intensiv. Auch bei „Bernarda Alba“ war Bieito der Regisseur. Thorsten Danner, 1968 in Fulda geboren, versuchte sich nach dem Abitur erst mal als Musiker und Kabarettist, besuchte dann ebenfalls in Wien die Schauspielschule, nicht das Reinhard-Seminar wie seine Kollegin, sondern das ein kleines bisschen weniger renommierte Konservatorium. Dann ging’s zum Niederbayerischen Landestheater, 2002 ans Pfalztheater nach Kaiserslautern, 2006 ans Nationaltheater. Hier läuft seine letzte Spielzeit, ab Herbst wechselt er ans Frankfurter Schauspiel. In Kaiserslautern hat er den Shylock gespielt, in Mannheim unter anderem Helmer in Ibsens „Nora“, den Karl in Büchners „Woyzeck“ und den Mario in Löhles „Wir sind keine Barbaren!“. In der Vorbereitung auf das neue Stück von Laura Marks haben sich Regisseur Robert Teufel und die Schauspiel natürlich mit der Immobilienkrise in den USA beschäftigt. „Wir wollten das Stück aber nicht eindeutig verorten, sondern die Geschichte allgemeiner erzählen“, erklärt Sabine Fürst. Und Danner ergänzt, man wolle zeigen, wie Menschen hier „bis zu einem Mord gehen, um etwas zu erreichen“. Vermeiden möchte man auch eine allzu naturalistische Inszenierungsweise eines solchen „Well-Made-Plays“, also eines gut geölt funktionierenden Theatertextes, wie ihn Laura Marks mit „Betty“ geschaffen hat. Allzu viel Realismus wird es nicht geben, weder authentisch wirkende Räume, noch stilechte Requisiten. Bei deutschen Autoren werde ja immer alles gesagt, findet Thorsten Danner, bei amerikanischen Autoren müsse man auch das Nicht-Gesagte hörbar machen: „Die Pausen sind wichtig, man muss ausprobieren , wie das am besten funktioniert.“

x