Ludwigshafen Sonnenbrand und Gruselkabinett

Keine Weihnachtsstimmung in den Mannheimer Galerien: Grandel punktet mit Arbeiten des Mannheimer Fotografen Claus Stolz, im cube 4x4x4 gibt es eine luftige Installation von G. Y. Wu und bei Peter Zimmermann eine weitere Einzelausstellung des exzentrischen Londoner Tier- und Pflanzenmalers Marc Fairnington.

Die Ausstellung bei Grandel ist zweigeteilt. Zum einen zeigt Claus Stolz auf seinen Fotografien Banales aus dem gewöhnlichen Leben: Ein Nashorn, dem man das Horn entfernt hat, eine Kuh, die sich von einer rotierenden Bürste massieren lässt, einen platten Autoreifen, einen Stuhl vom Sperrmüll, der auch im Ausstellungstitel „alchemy meets photography meets … an empty chair“ vorkommt. Unter Alchimie sind die Heliografien zu verstehen, eine Stolz’sche Erfindung, die sich zwar auf die Frühzeit der Fotografie berufen kann, aber etwas viel Komplizierteres ist. Auf die Idee, sich mittels Plattenkamera, unterschiedlich großen Linsen und reichlich Risiko „Bilder“ der Sonne in den Film brennen zu lassen – „Sunburns“ heißt die Serie – muss man ja erst mal kommen. Das auf Fotopapier vergrößerte Ergebnis gilt als Unikat und hat seinen Anlass weit hinter sich gelassen. Man denkt an Zellkulturen, blubbernde Ursuppe, Geschwüre, Fantasy-Deko und abstrakte Blasen. Und hat am Ende nur begriffen, dass der an der Freien Kunstakademie Mannheim bei Gerd Lind, Wolfgang Reindel und Rolf Schneider ausgebildete Fotokünstler eine Nische besetzt hat, zu der man ihm nur gratulieren kann. Auch im „cube“ gilt das Experiment. In dem weißen Raumwürfel im Hinterhof der Augartenstraße 68 dürfen die von Blanka Heinecke vertretenen Künstler machen, was sie wollen. Während die Galeristin in ihrer Wohnzimmergalerie in der Beethovenstraße unter der Überschrift „Ausklang und noch mal zu sehen“ die Ausstellungen des zu Ende gehenden Jahres in anderer Sortierung rekapituliert, gibt der 1959 in Schanghai geborene G. Y. Wu ein Denkspiel zum Besten. Schwarze Mikrofonschützer bilden aus Punkten gefügte Linien, die wie mit einem großen Schwung verteilt bogenförmig über Wände und Decke laufen. Eine stille Arbeit des in Karlsruhe lebenden Künstlers. Klar, einladend und von jener Einfachheit, die keines Kommentars bedarf. Fehlt nur noch der Schneefall – draußen. In der Galerie von Peter Zimmermann findet wieder einmal eine Marc-Fairnington-Ausstellung statt. Der Galerist scheint einen Narren gefressen zu haben an dem kapriziösen Manieristen aus London. Der raffiniert unmodern arbeitende Künstler malt sich, Öl auf Holz oder Aluminium, durch die Museen wie sich früher die Landschafter durch attraktive Gegenden gemalt haben, immer penibel, porentief genau und ziemlich tot. Da sahen wir ganze Vitrinen mit ausgestopften Vögeln aus dem Naturhistorischen Museum, Tierpräparate mit altmodischen Zetteln an den Füßen und Blumen von exotisch-giftiger Direktheit. Im Mannheimer Kunstverein gab es vor zwei Jahren eine Ausstellung mit einem Quartett monströser weißer Zuchtbullen im Zentrum. Dass Fairnington auch mit Menschen etwas anfangen kann, zeigt die aktuelle Einzelausstellung von Kleinformaten, die nicht ganz falsch „of People“ heißt und sogar Porträts lebender Menschen mit einschließt. Wieder wurde der Maler in bestimmten Londoner Museen fündig, vor allem in den Depots der für ihre Kuriosa bekannten Wellcome Collection in Kensington und in den Royal Armouries im Tower. Ein abgeschlagener (Propheten-) Kopf hier, das in Folie verpackte Präparat eines im Tod die Zähne fletschenden Leoparden da, auch anatomische Modelle und anonyme Totenmasken machen die Ausstellung zum perfekten Gruselkabinett. Besonders hübsch: Heinrich VIII. gerüstet zu Pferde, der auf das Gesicht reduzierte Kopf schwebt frei über dem Halsausschnitt. Die umwerfende Kombination ist eine Caprice des Künstlers, im Tower sind die leere Rüstungen tragenden historischen Holzpferde und die derb geschnitzten Königsgesichter an verschiedenen Stellen zu sehen.

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