Ludwigshafen Schwirrende Köpfe

Platon, einer der einflussreichsten Denker überhaupt, ist für Fachphilosophen Pflichtlektüre. Theateraufführungen seiner Dialoge dagegen sind äußerst selten. Der Autor und Übersetzer Torsten Israel hat nun im Theater Felina Areal in Mannheim Platons Dialog „Euthyphron“ mit Schauspielern als szenische Lesung einstudiert.

Die Inszenierung des Dialogs macht Platons Vorbehalte gegenüber schriftlichen Abhandlungen und deren Abstraktheit unmittelbar verständlich. Wenn Leif Schmitt als Sokrates und Dominic Fuchs als Euthyphron miteinander auf der Bühne um die rechte Definition göttlichen Rechts ringen, dann wird anschaulich, was Anstrengung des Begriffs bedeutet. Der Zuschauer bekommt überdies eine Ahnung davon, wie es in Athen damals zugegangen sein mag, wenn Sokrates seine Mitbürger in Gespräche verwickelte, und warum er schließlich so verhasst war, dass er zum Tode verurteilt wurde. Vor dem Gerichtsgebäude am Marktplatz trifft Sokrates auf den Seher und Religionsgelehrten Euthyphron. Sokrates ist wegen Gotteslästerung angeklagt, Euthyphron auf dem Weg, seinen eigenen Vater wegen Totschlags zu verklagen. Der soll nämlich einen von Euthyphrons Tagelöhnern, der betrunken einen Sklaven totgeschlagen hatte, in einer Grube gefangengesetzt und ihn dort vergessen haben, wo er erfroren und verhungert ist. Euthyphron hält sich einiges darauf zugute, dass er seine Klage ohne Ansehen der Person führt, also ohne Rücksicht, dass er seinen eigenen Vater anklagt. Solche Rechtsgleichheit mag im modernen Rechtsstaat nicht so anstößig sein wie nach altgriechischen sittlichen Vorstellungen. Die Anklage des eigenen Vaters galt als Sakrileg. So verwickelt Sokrates den Euthyphron in eine Untersuchung, was göttliches Recht eigentlich ist. In deren Verlauf stellt sich mehr und mehr heraus, dass der Religionsgelehrte davon keine Ahnung hat. Wie dem immer aggressiver werdenden Euthyphron schwirrt auch den Zuschauern bei den ständigen Begriffsverschiebungen der Kopf. Der Regisseur lässt die Schauspielerinnen Mayila Ainiwaer und Laura Álvarez zur Veranschaulichung eine Leiter verschieben, wenn die Untersuchung eine neue Stufe erreicht. Die Komik, die in der Begegnung des frommen „Gotteslästerers“ Sokrates und des unfrommen Religionsgelehrten steckt, kann die Inszenierung aber nur annähernd vermitteln. Im November ist eine Bühnenfassung der Verteidigungsrede des Sokrates vorgesehen, für das nächste Frühjahr eine Lesung des Dialogs „Phaidon“. Termin Weitere Aufführung am Freitag, 20. Mai, 19.30 Uhr im Theater Felina-Areal in Mannheim, Holzbauerstraße 6-8.. Karten unter Telefon 0621/3364886.

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