Ludwigshafen RHEINPFALZ-Report (7): Kein Platz für Flüchtlinge?: „Beschämender Politpoker“

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Unser Report hat viel Staub aufgewirbelt, wie die politischen Reaktionen zeigen: Die Opposition geht hart mit der Stadtspitze ins Gericht. „Null Weitsicht“ wirft ihr die Linkspartei vor, die AfD fordert einen Flüchtlingsgipfel. Grüne und Liberale plädieren für mehr Sprachkurse, die FWG bringt Kasernen als Unterkünfte ins Spiel. SPD und CDU sehen Bund und Land in der Pflicht.

SPD: Ministerin muss liefern

   SPD-Parteichef David Schneider verteidigt den Notfallplan des Stadtvorstands. „Es fehlt uns an Alternativen“, sagt er. Die Verwaltung müsse nun für Transparenz bei den Anwohnern sorgen, um eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu schaffen. Vom Land fordert der 25-Jährige, den Verteilungsschlüssel zu korrigieren und eine landesweite Plattform mit leerstehenden staatlichen Immobilien einzurichten, um die Zuweisung der Flüchtlinge besser zu koordinieren. In größeren Städten seien Wohnraum und erschlossene Flächen knapp. Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) stehe hier in der Pflicht. „Sie lässt Ludwigshafen bisher im Stich“, sagt Fraktionsvize Hans Mindl. „Der Hinweis ihres Sprechers, Kommunen sollten sich untereinander absprechen, halte ich für völlig verfehlt. Das ist die Aufgabe des Ministeriums, das an dieser Stelle durch weitgehende Untätigkeit glänzt“, betont Schneider. Aus Berlin fordert er mehr Personal für die schnelle Bearbeitung der Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie mehr Geld für Integrations- und Betreuungsangebote. „Es geht jetzt darum, mit Hilfe des Landes kurzfristig Lösungen zu finden, um Notfallszenarien auf das erforderliche Maß zu begrenzen.“ CDU: Professioneller betreuen „Nach dem Scheitern der Bemühungen um einen Zuweisungsstopp ist klar, dass die bisherigen Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr ausreichen“, sagt Fraktionschef Torbjörn Kartes vom Koalitionspartner CDU. „Die Stadtgesellschaft steht hierdurch vor großen Herausforderungen.“ Zunehmend würden in den Stadtteilen weitere dezentrale Unterkünfte entstehen. Wichtig sei, die betroffenen Bürger vor Ort umfassend und rechtzeitig zu informieren. „Nur so kann es gelingen, dass die hohe Akzeptanz für Flüchtlinge in unserer Stadt nicht gefährdet wird.“ Der 35-Jährige ist überzeugt, dass sich dann stadtweit Initiativen zur Unterstützung der Flüchtlinge bilden. „Gleichzeitig benötigen wir eine professionelle Betreuung und Unterstützung bei der Gesundheitsversorgung.“ Diese Aufgabe müsse das SPD-geführte Sozialdezernat federführend übernehmen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) müsse den Flüchtlingsengpass zur Chefsache machen, fordert CDU-Landtagsabgeordnete Marion Schneid. Grüne: Besser koordinieren Für Grünen-Fraktionschef Hans-Uwe Daumann zeigen die Erfahrungen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber gut betreut werden müssen, damit sie möglichst schnell auf eigenen Füßen stehen. Das entlaste die Sammelunterkünfte. Neben den gerade geschaffenen zwei Sozialarbeiterstellen müssten – zumindest befristet – weitere Beratungsstellen eingerichtet werden. „Nötig sind verstärkte Deutschlernangebote für Erwachsene und entsprechende Gruppen und Vorklassen in Kitas und Schulen. Freiwillige Helfer leisten schon ein immenses Pensum im Sinne einer Willkommenskultur. Sie helfen bei Behördengängen und Arztbesuchen, bei der Wohnungssuche und der Ausstattung.“ Hier sei die gesamte Gesellschaft gefordert: Religionsgemeinschaften, Sportvereine, aber auch Unternehmen. Von der Stadt wünscht sich Daumann „mehr Koordination“. Sie sollte auf mögliche Unterstützer zugehen, Integrations- und Hilfsangebote fördern und den Kontakt zu den Flüchtlingen vermitteln. AfD: Masterplan muss her  „Die Vogel-Strauß-Politik unserer kommunalen ,GroKo’ ist weder zielführend, noch problemangemessen oder gar mitmenschlich“, nimmt AfD-Fraktionschef Jörg Matzat SPD und CDU ins Visier. Der wachsende Strom von Flüchtlingen sowie deren Verteilung (Königsteiner Schlüssel) sei seit Langem bekannt. Die Koalition mache es sich zu einfach, die Misere Mainz und Berlin anzulasten. „Anstatt Briefe an die zuständige Ministerin zu schreiben, wäre es an der Zeit, die politische Macht zu nutzen und die Gesetze zu ändern“, sagt Matzat. Etwa das Landesaufnahmegesetz, um leerstehende Immobilien im ländlichen Raum besser zu nutzen. Von hiesigen Landtagsabgeordneten gehe bisher keine entsprechende Initiative aus. Stattdessen werde „auf dem Rücken der Ärmsten und Schutzwürdigsten ein Politpoker veranstaltet, der beschämend ist“. Statt Runden Tischen hinter verschlossenen Türen sei eine lebendige Debatte im Stadtrat notwendig. „Es braucht einen kommunalen Flüchtlingsgipfel, der alle Akteure zusammenbringt und bei dem ohne Scheuklappen um gute Lösungen gerungen wird.“ Matzat regt einen „Masterplan für Flüchtlinge“ in Bezug auf Wohnen, Leben, Spracherwerb sowie Arbeit und Bildung an. Auf europäischer Ebene müsse endlich eine Flüchtlingsquote durchgesetzt werden. Sein Fazit: „Nur mit einer Kombination aus Quote, Zuwanderungsgesetz und Hilfe vor Ort in den Krisenstaaten kann dem Problem langfristig begegnet werden.“ FWG: Kurse in Kasernen Der FWG zufolge führt aktuell kein Weg an zentralen Unterkünften vorbei. Allerdings müssten die Bedingungen stimmen: Das geplante Containerdorf biete pro Flüchtling zu wenig Platz. Der Verwaltung wirft Fraktionschef Rainer Metz „dramatische Versäumnisse “ vor. „Die Meldungen, Ludwigshafen stehe mit dem Rücken zur Wand und es sei einfach nichts zu machen, ist eine Taktik, die auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen wird.“ Metz plädiert für die Unterbringung von Flüchtlingen in Kasernen. In Baden-Württemberg sei dies gelebte Praxis. Außenstellen der Volkshochschulen mit gezielten Deutschkursen könnten dort die Integration beschleunigen. In Rheinland-Pfalz gebe es laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 16 Objekte, die dafür infrage kommen. In Ludwigshafen sollte geprüft werden, ob Leerstände wie in der Friesenheimer Luitpoldstraße oder das Shell-Haus in der Mundenheimer Straße (Süd) als Unterkünfte genutzt werden können. EU, Bund und Land müssten stärker in die Pflicht genommen werden. Den Abgeordneten aus Ludwigshafen kreidet er an, derzeit vollkommen abzutauchen. FDP: Bestandsaufnahme nötig   „Bei der Zuweisung von Flüchtlingen auf die Verschonung durch das Land zu setzen, war eine Fehlkalkulation“, sagt FDP-Fraktionschef Thomas Schell. Die Stadt müsse eigene Potenziale ausschöpfen, die Verantwortlichen sollten eine transparente Bestandsaufnahme vorlegen. Darin sollten verfügbare Wohnungen und Gebäude aufgelistet, Verträge mit privaten Vermietern verlängert, neue Verhandlungen initiiert und Kooperationen mit anderen Kommunen ausgelotet und als Chance gesehen werden. Mit Partnern aus der Wirtschaft müssten Modelle entworfen werden, wie an tüchtige Flüchtlinge schnell ein Job vermittelt werden könne. Das Angebot an Sprachkursen sollte ausgebaut werden. Schell: „Mit den bisherigen Parametern lässt sich der Zustrom auf Dauer nicht vernünftig regeln.“ Die Linke: Null Weitsicht gezeigt Die Stadtspitze reagiere, statt zu agieren, und sei erst durch den RHEINPFALZ-Report aus ihrer Lethargie erwacht, kritisiert Liborio Ciccarello von der Linkspartei. SPD und CDU hätten „null Weitsicht“ gezeigt, obwohl der Flüchtlingsengpass nicht über Nacht entstanden sei. „Die ganze Zeit hat die Stadt Wohnungen verkauft, jetzt klagt sie, dass sie keinen Platz für Flüchtlinge hat“, sagt der 43-Jährige. Beim Land auf einen Zuweisungsstopp zu drängen, sei kontraproduktiv. „Welches Signal senden wir damit aus? Bestimmt nicht, dass Flüchtlinge hier willkommen sind. Damit werden rechte Ressentiments geschürt.“ LESER-MEINUNG Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum Report unter redlud@rheinpfalz.de

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