Ludwigshafen Räuberpistole in virtueller Realität

Auch die Schauspieler sind hier computeranimiert.
Auch die Schauspieler sind hier computeranimiert.

Bei den Schillertagen werden auch immer neue Formen und neue Möglichkeiten des Theaters erforscht. Eine davon ist die virtuelle Realität (VR). In einer Koproduktion mit dem Mannheimer Nationaltheater haben sich die Cyberräuber Friedrich Schillers Fortsetzungsroman „Der Geisterseher“ vorgenommen. Das 15-Minuten-Stück eröffnet dem Zuschauer – mit VR-Brille – eine computeranimierte Welt mit computeranimierten Schauspielern.

Ein junger Prinz im Zentrum einer Verschwörung, ein dubioser Geheimbund, Geisterbeschwörungen und eine faszinierende Metropole – das sind auch heute noch gute Zutaten für ein erfolgversprechendes Drehbuch. Friedrich Schiller nutzte sie für seinen Fortsetzungsroman „Der Geisterseher“, der zwischen 1787 und 1789 in der Zeitschrift „Thalia“ erschien. Der schaurige Krimi traf den Nerv der damaligen Leserschaft und war Schillers erfolgreichste Publikation. Als Erzähler fungiert der Graf von O, ein gute Freund des Prinzen. Der lebt relativ bescheiden in Venedig. Da er der Dritte in der Erbfolge ist, hat er keinerlei Aussicht auf den Thron. Dann trifft er einen geheimnisvollen Armenier, der mehr über ihn zu wissen scheint, als er selbst – zum Beispiel, dass sein Cousin gestorben ist und nun er der künftige Herrscher sein wird. Im Lauf der weiteren Handlung lässt sich der Prinz zu einer Geisterbeschwörung überreden, die sich jedoch als Täuschung entpuppt. Der Mann, der zu dieser Erkenntnis beiträgt, ist wieder der Armenier. Der Prinz kommt durch ihn in Kontakt zu Mitgliedern eines Geheimbunds, dem er beitritt. Bald darauf wird sein Lebenswandel immer ausschweifender, was den Grafen O besorgt macht. Am Ende stellt sich alles als eine große Verschwörung eines Jesuitenordens heraus. „Das ist eine echte Räuberpistole“, erklärt Björn Lengers, der mit Marcel Karnapke das Duo Cyberräuber bildet. Schiller spielt in seiner Geschichte mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und verschiedenen Realitätsebenen. „Das machen wir mit VR ebenfalls. Wir lassen Dinge erscheinen und manipulieren sie. Deshalb passt diese Form der Umsetzung einer solchen Handlung besonders gut.“ Lengers und Karnapke erzählen Schillers Geschichte rudimentär in mehreren Episoden. Diese wurden von den Darstellern real auf einer Theaterbühne gespielt. Die Schauspieler wurden dann digitalisiert und in die computeranimierte Kulisse der virtuellen Realität integriert. Mit einer VR-Brille und Kopfhörern ausgestattet, ist der Zuschauer mittendrin im Stück. Der Graf von O (David Müller) reicht einem die Hand, und plötzlich steht man auf einer Landkarte von Venedig mitten im Canale Grande. Man kann sich dazusetzen, wenn Graf und Prinz sich am Ufer des Kanals über den seltsamen Armenier unterhalten. Im Handumdrehen entstehen Brücken und Paläste, Sternenhimmel und Sonnenaufgänge, Figuren können fünffach präsent sein. Jüngere Rezipienten kennen diese Welten aus Computerspielen, allerdings gibt es hier keine Möglichkeit der Kontrolle - keinen Joystick oder Tastatur. Man ist dem Geschehen ausgeliefert, wie die Zuschauer eines klassischen Theaterstücks.

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