Ludwigshafen Prophetenverehrung und Hipsterkult

Nicht alle Tage bekommt man einen hierzulande kaum bekannten Weltstar wie Sami Yusuf zu sehen. Aber auch nicht alle Tage ein unabhängiges Theater aus Thailand wie das Democrazy Theatre Studio Bangkok. Auf dem internationalen Festival „Offene Welt“ in Ludwigshafen waren sie zu erleben.

Selten dürften so viele junge Frauen mit Kopftuch in den Pfalzbau gekommen sein wie an diesem Abend, als Sami Yusuf auftrat. Überwiegend junge Frauen himmeln den in Teheran geborenen und in London aufgewachsenen Musiker aserbaidschanischer Abstammung an. Auch Asiatinnen sind unter seinen Fans. Und auch sie machen mit ihren Smartphones fleißig Erinnerungsfotos an den Tag, als sie ihrem Idol , diesem gut aussehenden und gut frisierten Mittdreißiger so nahe gekommen sind wie noch nie. Sami Yusufs erste Platte, „Al-Mua’lim“ (Der Lehrer), produzierte der Sänger und Multiinstrumentalist vor über zehn Jahren noch auf eigenes Risiko. Sie wurde ein Riesenhit und viele Millionen Mal verkauft. Seitdem hat Yusuf sechs Alben aufgenommen und ist in der gesamten Welt mit muslimischer Bevölkerung, von Nordafrika über die Türkei bis Südostasien, ein Star. In den millionenfach verkauften Songs besingt er die Liebe zu Allah und zum Propheten, singt vom Leben eines Gläubigen und predigt Menschenliebe und Toleranz. Für einen Weltstar mit unzähligen Fans, auch in Europa, war die Zahl der Besucher im Pfalzbau allerdings bescheiden. Vielleicht war die Zeit zu kurz, als dass sich sein Auftritt auf dem recht kurzfristig anberaumten Festival weiter hätte herumsprechen können. Jedenfalls ist nur etwa die Hälfte der Plätze im Theatersaal besetzt. Erst mit beträchtlicher Verspätung, als würde er abwarten, ob nicht mehr Zuhörer den Saal füllen, betritt der lang Erwartete endlich die Bühne. Begleitet wird Sami Yusuf von drei Musikern. Einer spielt Daf, eine Art großes Tambourin, ein anderer das Saiteninstrument Tombak, ein dritter Gitarre. Sami Yusuf selbst greift zur Oud, einem lautenähnlichen Instrument und singt dazu auf Englisch. Sein erstes Lied handelt von der einfachen Wahrheit spiritueller Gottesschau, andere von dem Wunsch nach Seelenfrieden oder der Einheit aller Menschen. Die Musik zu diesen Themen muslimischer Mystik besteht aus getragenen Schmuseliedern. Hörgewohnheiten westlicher Popmusik haben in ihnen den Sieg davongetragen über komplizierte orientalische Rhythmen und Tonskalen. Wer Sami Yusuf noch nie gehört hat, sollte sich einen englischsingenden Roy Black mit Koloraturen und Vibrato im Stile Demis Roussos’ in der Stimme vorstellen. Hall und Echo verstärken bisweilen noch den Eindruck vom Gesang eines Muezzin. Erst nach einem Dutzend solcher Songs kommt ein wenig Schwung in die Musik. Zwischen den Darbietungen verliert ein äußerst schüchtern wirkender Sami Yusuf nicht ein einziges Wort. Noch nicht einmal ein Dank für den Beifall kommt über seine Lippen. Auch sucht er keinen Blickkontakt mit seinem Publikum. Dafür klingt sein deutsch gesprochenes „Dankeschön“ am Ende des Konzerts dann desto herzlicher. Dazu legt er zum Publikum gewandt noch die rechte Hand aufs Herz. Und als Zugabe spielt er „Muhammad“, das Lied, das er den Opfern des Schulmassakers in Beslan gewidmet hat. Er sei „a Teacher of all Mankind“, ein Lehrer der ganzen Menschheit, heißt es darin über den Propheten. Der quasireligiösen Verehrung von Idolen jeglicher Art erteilte das Democrazy Theatre Studio Bangkok mit „Hipster the King“ eine humorvolle, aber desto entschiedenere Absage. Wenn die Zuschauer zu einer geglätteten Version von „All You Need is Love“ die Studiobühne aufsuchen, erwarten sie bunte und schrille mit viel Gold und Glitzer herausstaffierte Gestalten, die regungslos, wie in einer Geste erstarrt auf einem Teppich ausharren. Aufschriften auf der Leinwand ermuntern das Publikum zu klatschen und informieren es in unablässig wiederholten Phrasen, wie sehr die Hipster es lieben und dass sie all diese Qualen und Opfer nur aus Liebe zu ihm auf sich nähmen. Wer es von den vier Männern und zwei Frauen nicht mehr aushält, verlässt den Teppich und lockert die steifen Glieder. Zwei junge Frauen animieren zusätzlich, Beifall zu klatschen, und schleppen unablässig immer neue Requisiten für die Hipster heran. Die Persiflage auf Massengesellschaft und Führerkult, auf die Anbetung von Sport- und Popidolen bei dem gleichzeitigen Bemühen, sich von der Masse abzuheben, hat dem Democrazy Theatre Studio in Thailand eine Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung eingetragen. Mao Tse-tung und der japanische Kaiser Hirohito sind zwar als Hipster zu erkennen, doch nicht der thailändische König. So trug das Stück der Truppe, die in Ludwigshafen ihr Europadebüt gab, statt einer Anklage mehrere Preise ein. Eine Persiflage war auch ihr Stück „I Am Thai“. Im Stil einer Fernsehquizshow wird darin der thailändische Nationalismus veralbert. Alessandro Bariccos Monolog „Novecento“ gab schließlich Gandhi Wasuvitchayagit auf Thai und in einer bemerkenswerten Performance. Das postmoderne Theaterstück für eine Person führt anhand der fiktiven Figur eines Kind gebliebenen Pianisten auf einem Ozeanriesen durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Der thailändische Künstler gab es mit einer enormen Wandlungsfähigkeit.

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