Ludwigshafen „Politik ist kein Wunschkonzert“

„Ich habe gelernt, wie die Verwaltung funktioniert.“ Das ist eine Erkenntnis Günther Henkels nach fast einem Amtsjahr. Und daraus leiten sich für ihn zwei weitere Erkenntnisse ab. Erstens: „Man muss der Verwaltung schon mal auf die Füße treten. Das ist lästig, aber nötig.“ Zweitens: „Ich habe jetzt mehr Verständnis für deren Nöte.“ Was zunächst wie ein Widerspruch klingt, ist bei genauerer Betrachtung eine logische Folge. Denn inzwischen weiß Henkel, wen er zu welchem Thema im Rathaus ansprechen muss, dass die Mühlen der Bürokratie der Vorschriften wegen häufig (zu) langsam mahlen – aber eben auch, dass beständiges Nachbohren doch noch zu einem erfreulichen Ergebnis führen kann. Wie beim Thema Tempo 30 nachts in der Sternstraße. Das Anliegen vieler Anwohner sei lange ignoriert worden. „Jetzt wird es noch mal geprüft“, berichtet Henkel. Kleine Erfolge wie diese sind es, die den 57-Jährigen anstacheln. Und natürlich „der große Zuspruch“, den er bei den zahlreichen Hausbesuchen anlässlich von Geburtstagen oder Hochzeitsjubiläen erfährt. Für Henkel ist das mehr als eine Pflichtübung. 400 Termine dieser Art hat er mittlerweile absolviert und dabei sieben 100- und 120 über 90-Jährigen gratuliert. „80 Prozent davon sind noch fit. Das macht Spaß, weil man tolle Leute kennenlernt und tolle Geschichten hört. Daraus ziehe ich meine Motivation fürs Tagesgeschäft“, sagt Henkel. Apropos Tagesgeschäft: Das hat für den 1,90-Meter-Hünen mit Handarbeit, Farbe und Pinsel begonnen. Denn dem Büro seines Vorgängers Carlo Saxl (CDU) wollte Henkel einen frischen Anstrich verpassen. Genauer gesagt: verpassen lassen. Weil die Stadt aber klamm ist und abwinkte, schritt der 57-Jährige selbst zur Tat und schaffte gleich auch neue Möbel an. Eine nette Atmosphäre ist ihm wichtig im Gemeindehaus, wo er jeden Donnerstag von 17 bis 18.30 Uhr zur Bürgersprechstunde bittet, die jeweils eine Handvoll Friesenheimer nutzt. Dass zunehmend Zwistigkeiten zwischen Nachbarn an ihn herangetragen werden, nervt ihn zwar, weil er in den meisten Fällen nur „als Mediator“ vermitteln kann. Dennoch ist Kommunikation für Henkel das A und O seines ehrenamtlichen Jobs. So hat er mehrfach darauf gedrängt, dass Firmen oder die Verwaltung umfassender und vor allem rechtzeitig über Kanalsanierungen informieren. Baustellen gibt es ohnehin genug. Der Verkehr ist laut Henkel „das Thema Nummer eins“. Hinzu kommt die vielerorts knifflige Parkplatzsituation. Mit der Sanierung der Straßenbahnlinie 10 ab 2016 sowie dem Abriss der Hochstraße Nord ab 2018 werde sich die Lage weiter verschärfen, befürchtet Henkel, weshalb er ein „gescheites Verkehrskonzept“ fordert. Von der langen Stadtstraße verspricht er sich andererseits große Entwicklungschancen für Ludwigshafen. „Man muss da Optimist sein“, sagt Henkel, selbst wenn das bei acht Jahren Bauzeit schwerfalle. Moderne Strukturen hat er im Ortsbeirat etabliert. Etwa eine Datei, auf die alle Zugriff haben. Sie listet Anträge und Anfragen der Fraktionen auf, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Das Klima in dem Gremium sei angenehm. „Wir ziehen alle an einem Strang. Parteipolitik spielt hier nicht die allererste Rolle“, sagt Henkel. Auch das Verhältnis zu seiner Stellvertreterin Constanze Kraus (CDU), bei der Stichwahl noch seine Konkurrentin, sei ausgesprochen gut. Extrem gut ist traditionell die Nachfrage nach Wohnraum im drittgrößten Stadtteil. Selbst hochpreisige Objekte wie an der Hohenzollernstraße „gehen weg wie warme Semmeln“, sagt Henkel. Das Problem: Der Stadtteil kann sich räumlich nicht ausdehnen. Altbestände müssen saniert, Baulücken gefüllt werden. Anders geht es nicht. In manchen Straßenzügen vollziehe sich wegen des konstant hohen Zuzugs – 138 Neubürger waren es im Vorjahr – ein soziokultureller Wandel, hat Henkel festgestellt. Dass Friesenheim dermaßen beliebt sei, liege mitunter auch daran, dass es keine sozialen Brennpunkte gebe. Beliebt bei vielen Einheimischen ist auch die Eberthalle. Statt eines Bekenntnisses der Stadt zum Erhalt des 50 Jahre alten Baus hätte sich Henkel einen Abriss zugunsten einer modernen Arena auf dem Parkplatz davor gewünscht. „Die Halle ist nicht mehr zeitgemäß und fasst zu wenig Zuschauer.“ An deren Stelle hätte sich ein Baugebiet „Wohnen am Park“ prima vermarkten lassen, glaubt Henkel. Nicht aufgegeben hat er die Hoffnung, dass der Strand am Willersinnweiher im Sommer zugänglich gemacht wird, nachdem die Pleite einer Baufirma die Freibad-Sanierung verzögert hat. Mitte des Monats fällt die Stadtspitze eine Entscheidung. Das 25. Sternstraßenfest am 16./17. Mai wäre für Henkel eine passende Gelegenheit, ein positives Votum zu verkünden. „Doch die Politik ist kein Wunschkonzert.“ Auch das ist so eine Erkenntnis, die in ihm in den vergangenen Monaten gereift ist. Die Serie Seit knapp einem Jahr sind drei neue Ortsvorsteher im Amt. Wir ziehen Bilanz. Morgen: Julia May (Rheingönheim).

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