Ludwigshafen Ohne Grammophon-Knistern

„Reizend, ganz einfach reizend“, heißt ein altes Stück, das Max Raabe mit seinem Palastorchester interpretiert. So könnte auch das Motto seines Auftritts im Mannheimer Rosengarten lauten. Neben Unterhaltungsmusik aus den 1920er und 1930er Jahren bringt der Sänger vermehrt auch Stücke, die er mit Annette Humpe geschrieben hat.

„Ich bin nur gut, wenn keiner guckt, wenn einer zuschaut, mach ich’s gleich verkehrt und es ist nicht der Rede wert“, singt Max Raabe zur Eröffnung, aber das ist glatt gelogen. Denn auch vor den Augen des Publikums im vollen Mozartsaal lieferte er eine glänzende Show. Das Stück ist eines der neueren, von denen er sagt, er habe sie „selbst verbrochen.“ Annette Humpe, die ihm schon beim vorletzten Album und nun auch bei der jüngsten Produktion kompositorisch geholfen hat, war eine der führenden Figuren der Neuen Deutschen Welle und ist heute als Produzentin gefragt. Andere Stücke kommen von Komponisten wie Friedrich Hollaender, Kurt Weil oder Amerikanern wie Oskar Hammerstein und Jerome Kern, die viele Musicals geschrieben haben. Foxtrott, Paso Doble, Rumba und Tango, das könnte auch die Musik aus einem Tanzpalast der wilden Zwanziger sein. Das exzellente Palastorchester spielt die Rhythmen mit dem Klang von anno dunnemals, doch ohne das Knistern der alten Grammophonplatten. Max Raabe ist die Bühnenpersönlichkeit, hinter der sich der Bassbariton Matthias Otto verbirgt. Er verkörpert perfekt die Figur eines Sängers und Unterhaltungskünstlers jener Jahre. Das „r“ rollt bei den Ansagen, Raabe klingt wie die alten Radio- und Fernsehsprecher. Das Orchester ist auch originalgetreu besetzt. Es besteht aus Rhythmusgruppe, Saxophonsatz, Trompeten und Posaune, und für besonderen Glanz sorgt Cecilia Crisafuli auf der Violine. Die traditionell gehaltenen Arrangements der Musik überzeugen durch authentische Spielweise: Die Tanzmusik der 1920er und 1930er Jahre mutete immer auch etwas eckig an. Es gab noch keine Swing-Phrasierung, die Synkopen und der Rhythmus wurden gerade, nicht triolisch gespielt. Es gab auch noch keinen Backbeat, die Betonung des zweiten und vierten Taktschlags. Die neueren, eigenen Stücke knüpfen in ihren Texten an die humorvollen Verse der alten Tanzmusik an. Musikalisch klingen sie moderner, die Harmonie klingt mehr nach Pop, auch die Rhythmen sind moderner gespielt. Was bleibt, ist Raabes Art zu Singen, seine Artikulation und Phrasierung. Daraus wird dann etwas Neues, das eine Brücke zwischen alter und moderner Unterhaltungsmusik schlägt. „Keine Antworten auf die großen Fragen des Lebens“ gebe es an diesem Abend, verkündet Raabe gleich zu Beginn. „Es gibt sie – nur eben nicht bei uns“, fügte er mit seiner typischen Art noch an. Es gehört für ihn dazu, keine Miene zu verziehen – auch wenn die Zuhörer sich köstlich amüsieren. Einen Schritt vor zum altertümlich großen Mikrofon, ein Schritt zurück, wenn das Orchester spielt, lässig lehnt sich der Sänger dann auf den Flügel. Ansonsten gibt es kein Gewackel und Gezappel, würdevoll und zugleich ein bisschen steif wirkt das. Raabe tritt stets als perfekter Gentleman auf. Trotzdem spürt man dahinter auch ein bisschen Augenzwinkern. Die Präsentation, das Orchester, die Musik und der trockene Humor – das alles fügt sich zu einem sehr unterhaltsamen Gesamtkunstwerk. Live ist das ein besonderer Genuss.

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