Ludwigshafen Munter durch die Jahrhunderte

Bach, Schumann oder Jazz – Canadian Brass kennt keine Genre- und Zeitgrenzen.
Bach, Schumann oder Jazz – Canadian Brass kennt keine Genre- und Zeitgrenzen.

Treffen sich zwei Trompeter, ein Hornist, ein Posaunist und einer mit ’ner Tuba. Nein, so fängt kein Witz an, sondern so entstehen wunderbare Klänge. Und dass es, wenn fünf Blechbläser zusammenkommen, was zu lachen gibt, ist ohnehin klar. Das Ensemble Canadian Brass war auf seiner Tournee am Montag im Musensaal des Mannheimer Rosengartens zu Gast.

Mit „Just a closer walk with thee“ geht’s los – womit schon vor Konzertbeginn die erste Zugabe erledigt sei, wie Tubist Chuck Daellenbach schelmisch verkündet. Mit ihren weißen Turnschuhen zu dunklen Anzügen stehen die fünf Musiker auf der Bühne und wechseln nach dem Gospel-Klassiker direkt zu Johann Sebastian Bach. Später folgen Monteverdi, Georges Bizets „Carmen“, ein wenig Schumann und Jazz. An ein begrenztes Repertoire müssen sich die Jungs nicht halten – gab ja in der Musikgeschichte auch jahrhundertelang kein eigenes für Blechbläser. Stattdessen spielen sie sich munter mit Arrangements durch die Jahrhunderte. Blechbläser sind eine besondere Spezies. Der Vorteil: Spielen können sie auf ihrem Instrument eigentlich alles. Jazz, Rock, Pop, Geistliches, Blasmusik und natürlich auch die sogenannte Klassik. Bei den meisten sinfonischen Orchesterwerken verbringen Trompeter, Posaunisten und Tubisten allerdings mehr Zeit mit dem Zählen von Pausentakten als mit Spielen. Für den Einsatz zur richtigen Zeit die perfekte Zähltechnik auszuarbeiten gilt zwar als Kunst, ist aber nicht besonders erfüllend. Unter anderem deshalb haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr hochprofessionelle Blechbläser-Ensembles gebildet. Angefangen hat alles in den Fünfzigern mit dem britischen Philip Jones Brass Ensemble. Inzwischen musizieren neben dem 1970 gegründeten Canadian Brass auch German Brass, Mnozil Brass, Hannover Brass und weitere. Bis Ende 2018 gab es in der Pfalz das wunderbare Rennquintett, das sich jedoch nach dem Tod von Trompeter Peter Leiner nach über 30 Jahren auflöste. Auch die Rennquintett-Musiker nannten Canadian Brass als Vorbild. Die Besetzung der Kanadier hat in den bald 50 Jahren seit Gründung oft gewechselt, bis auf eine Konstante am tiefsten und unhandlichsten Gebläse. Tubist Chuck Daellenbach, inzwischen 73 Jahre alt, ist seit Gründung der Truppe dabei. Schon qua Instrument sorgt er für viele Lacher. So etwa, wenn er das behäbige Blech während eines langen Haltetons um 360 Grad dreht oder den „Tuba Tiger Rag“ ankündigt. Genau da zeigt er aber, wie beweglich die große Tuba spielerisch ist und – vor allem – was für großartige Musiker er und seine Compagnons sind. Daellenbach moderiert auch den größten Teil des Abends. In sympathisch gebrochenem Deutsch kündigt er so etwa Bachs „große kleine Fuge in g-Moll“ an. Groß, weil sie natürlich großartig sei. Klein, weil sie nicht besonders lang ist. Zum lustigen und ein wenig verpeilten Tubisten kommen dann noch die smarten Trompeter – ja, ein paar Klischees zu bedienen macht den Blasensembles Spaß. Das sind in diesem Fall Christopher Coletti und Caleb Hudson. Letzterer brilliert mit den Variationen zur ziemlich simplen Melodie des „Carnival of Venice“; bei uns landläufig bekannt als „Mein Hut, der hat drei Ecken“. Die Variationen aber haben es in sich. Caleb Hudson zeigt die volle Bandbreite des Trompetenspiels. Da sind weich schmelzende Töne zu hören, vor allem aber rasante Läufe, abenteuerlich schnelle Tonwiederholungen und -sprünge. Dem einen oder anderen Zuschauer bleibt der Mund offen stehen. Auch Posaunist Achilles Liarmakopoulos und Hornist Jeff Nelsen haben ihre solistischen Auftritte. Nelsen etwa beim extra für Canadian Brass geschriebenen „Quintet“. Der Komponist ist kein geringerer als Filmmusik-Erdenker Michael Kamen. Es ist ein gelungen vielfältiges Konzert. Hoch anzurechnen ist den Musikern, dass sie neben Heiterem und kleinen Scherzchen vor allem viel Raum für gute Musik und auch mal längere Stücke lassen, statt nur mundgerechte Häppchen zu servieren. Ein Beispiel dafür ist „Carnaval“, ein Klavierzyklus von Robert Schumann, aus dem Canadian Brass gleich mehrere, auch längere Teile spielt. Da ist neben allem Spaß Zuhören gefragt. Und das lohnt sich.

x