Ludwigshafen Ludwigshafens OB Steinruck: „Pistole auf die Brust gesetzt“
Interview: Mitte Oktober vor einem Jahr hat Jutta Steinruck (56, SPD) die Oberbürgermeisterstichwahl gewonnen. Ein Gespräch über die ersten Amtsmonate, erledigte Aufgaben, offene Fragen, ihr Bauchgefühl zum „Metropol“ und eine Wette zu den Hochstraßen.
Dass Sie mich angesprochen haben, ich könnte nach den eindeutigen Hochrechnungen doch langsam mal zugeben, dass ich gewonnen habe … (lacht) … noch bevor ich es wahrgenommen hatte, dass ich uneinholbar vorne liege. Da läuft noch immer ein Film bei mir ab. Ich war an diesem Abend zwar anwesend, richtig greifbar wurde der Erfolg für mich aber erst ein paar Tage später. Inzwischen sind Sie ein starkes Dreivierteljahr im Amt. Ist der OB-Job für Sie immer noch der schönste der Welt oder mussten Sie schon einige Abstriche machen? Ich fühle mich total am richtigen Platz. Das ist ein fantastischer Job. Trotz bisweilen episch langer Sitzungen? Für mich sind lange Sitzungen kein Problem. Wenn Ergebnisse dabei herauskommen und die Stadt damit vorangebracht wird, opfere ich jede Stunde dafür. Vorangekommen sind Sie beim sogenannten Adler-Streit in Ruchheim, der den Stadtteil jahrelang gespalten hat. Sie haben nach der Prüfung der Lage ein Machtwort gesprochen. Jetzt darf der herabgefallene, restaurierte Vogel wieder auf den Obelisken vor der protestantischen Kirche. Das Ganze ging überraschend geräuschlos über die Bühne. Hatten Sie mit mehr Gegenwehr gerechnet? (Überlegt länger) Ja. Ich war mir nicht sicher, wie diese Entscheidung aufgenommen wird. Ich habe sie getroffen in dem Wissen, dass ich es nicht allen rechtmachen kann. Aber eben auch im Wissen, dass von den Bürgern in Ruchheim eine Entscheidung erwartet wird, die schon lange überfällig war.
"Ich habe keine Ahnung, warum meine Vorgängerin keine Entscheidung getroffen hat"
Warum hat es zehn Jahre gedauert, bis eine Lösung gefunden wurde?Ich habe keine Ahnung, warum meine Vorgängerin keine Entscheidung getroffen hat. Die Fakten, auf deren Basis ich die Entscheidung getroffen habe, lagen seit Jahren auf dem Tisch – sowohl historisch als auch denkmalschutzrechtlich. Weiter offen ist die Zukunft des „Metropol“-Projekts. Investor Günther Tetzner ist von der Mehrheit des Stadtrats am 17. September eine letzte Frist bis Jahresende gewährt worden, um belastbare Unterlagen für die Hochhaus-Pläne am Berliner Platz zu präsentieren. Wie ist Ihr Bauchgefühl? Glauben Sie, dass er bis dahin noch die Kurve kriegt. Entgegen der Mehrheitsentscheidung im Stadtrat habe ich ja gesagt, dass ich nicht der Meinung bin, dass Herr Tetzner ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat. Mein Bauchgefühl sagt mir: Wenn kein Wunder geschieht, wird es kein konkretes, greifbares Ergebnis am Berliner Platz bis Jahresende geben. Deshalb war es mir wichtig, dass die Stadtverwaltung auch baurechtlich alle Möglichkeiten ausschöpft. Mein Ziel ist es, den Berliner Platz und sein Umfeld so aufzuwerten, wie es seiner zentralen innerstädtischen Lage gerecht wird. Dafür brauchen wir starke Partner und kluge Strategien. War es falsch, dass Tetzner noch mal eine Chance bekommen hat? Der Stadtvorstand und ich hatten schon mehrere Gespräche mit ihm. Wir haben ihm schon mehrfach die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir wollten das Thema schon im Juni in den Stadtrat bringen. Auf seine Bitte hin haben wir das auf Mitte September verschoben. Ich habe jetzt seit einem Dreivierteljahr Erfahrung mit der Bitte um Zeitaufschub. Seit Januar höre ich von ihm Versprechungen, sehe aber keine Ergebnisse. Nach neun Monaten habe ich jetzt auch Zweifel, dass binnen weniger Wochen etwas Belastbares auf dem Tisch liegen könnte. Ich hoffe, dass Herr Tetzner, der in der Sitzung vorigen Montag deutlich irritiert war von den Reaktion des Stadtrats, jetzt hoffentlich die Gelegenheit nutzt, sich Gedanken zu machen, ob er tatsächlich in der Lage ist, ein erfolgreiches Projekt am Berliner Platz hinzubekommen – oder ob er die Konsequenzen zieht aus dem politischen Feedback aus Ludwigshafen. Eine Entschuldigung von seiner Seite hätte möglicherweise etwas Druck aus der Debatte genommen. Entschuldigung ist kein Wort, das ihm in diesem Zusammenhang über die Lippen kommt. Mein Eindruck ist, dass er sehr von seinem Projekt überzeugt ist und denkt, dass alle Ludwigshafener keine Ahnung von der Sache haben und ihn falsch beurteilen. Vom „Metropol“ zu Malu Dreyer: Mitte September waren Sie zum Antrittsbesuch bei der Ministerpräsidentin. Ist da mehr rumgekommen als ein nettes Kaffeekränzchen? Es ging um viel mehr, als Nettigkeiten auszutauschen. Dafür haben weder Malu Dreyer noch ich die Zeit. Den Antrittsbesuch erst nach neun Monaten zu machen, war von mir bewusst so gewählt, weil ich mich erst mal in die Themen reinarbeiten wollte. Wir haben etwa über die prekäre Haushaltssituation und die Hochstraßen gesprochen.
"Die Ministerpräsidentin weiß, dass die Stadt Hilfe benötigt."
Und?Malu Dreyer und die Landesregierung haben, wie ich finde, einen sehr realistischen Blick auf Ludwigshafen. Die Ministerpräsidentin weiß, dass die Stadt Hilfe benötigt. Wir sind die konkreten Probleme durchgegangen. Aber konkrete Zusagen haben Sie nicht mitgebracht, etwa in Sachen Finanzierung für die Sanierung der Hochstraße Süd? Ich hatte danach einen Termin mit dem Verkehrsminister und im Vorfeld bereits ein Treffen mit einem Staatssekretär aus dem Bundesverkehrsministerium. Da wurde es schon konkreter. Das Land steht jedenfalls an unserer Seite. Und in Millionen Euro ausgedrückt heißt das? Es steht ja noch nicht einmal fest, wie viel die Sanierung der Südtrasse kostet.
"Wir brauchen Sonderlösungen, weil eine Brücke unter der Brücke gebaut wird"
Wann wird das feststehen?Ende 2018, Anfang 2019. Wir brauchen verschiedene Sonderlösungen, weil da ja eine Brücke unter der Brücke gebaut wird. Und es müssen ja währenddessen auch noch Straßenbahnen queren können. In Wirtschaftskreisen kursieren Gerüchte, dass die Trasse so beschädigt ist, dass Sie bald komplett gesperrt werden muss. Ist da was dran? Nach meinem Kenntnisstand nicht. Die Ingenieure prüfen die Standsicherheit regelmäßig. Wenn sie nicht mehr gewährleistet werden kann, wird sofort gesperrt. Diese Szenarien haben wir im Kopf, aber es gibt keine Hinweise darauf. Andernfalls würden wir keinen Tag zögern und die Trasse sperren. 310 Millionen Euro sollen der Abriss der Nordschwester und der Ersatzbau ein ebenerdigen Straße kosten. Ich wette mit Ihnen, dass der Abriss bei den vielen Unwägbarkeiten nicht vorm Ende Ihrer Amtszeit 2025 über die Bühne geht. Halten Sie dagegen? Aber total, denn das wäre eine Katastrophe für die Stadt. Wir müssen das schaffen, und wir werden das schaffen. Wir haben keine Alternativen. Die Südtrasse muss schnellstmöglich saniert werden, und dann muss es zügig mit der Nordtrasse losgehen. Wir haben keine Jahrzehnte Zeit, darüber zu diskutieren. Deshalb war meine Bitte an Bund und Land, dass wir uns sofort an einen Tisch setzen und keine öffentlichen Ping-Pong-Spiele über Prozentsätze für Zuschüsse beginnen. Was macht die Rathausanierung? Wir haben im August ein Planungsbüro beauftragt, eine Bestandsaufnahme zu machen – auch mit Blick auf die nächsten 20, 30 Jahre und mögliche Kosten für einen Neubau. Bis Jahresende sollen die Fakten vorliegen. Dann wird eine politische Diskussion beginnen müssen. Könnte es sein, dass das Rathaus irgendwann am Berliner Platz steht? Es ist viel vorstellbar, aber wir brauchen erst belastbare Zahlen. Falls ein Neubau günstiger ist als eine Sanierung, dann muss es ein zentraler Platz im Herzen der Stadt sein. Geben Sie’s zu, diese Vorstellung gefällt Ihnen. Ich hege Sympathie für diese Idee.