Ludwigshafen Liebeskummer auf Albanisch

Komplizierte Dreiecksgeschichte: Szene aus der kosovarischen „Werther“-Inszenierung.
Komplizierte Dreiecksgeschichte: Szene aus der kosovarischen »Werther«-Inszenierung.

Angeleitet von einem deutschen Regisseur, hat eine Theatergruppe aus Ferizaj im Kosovo einen deutschen Klassiker auf die Bühne gebracht. Goethes „Die Leiden des jungen Werther“, Blaupause aller unglücklichen Liebesgeschichten, ist hier zugeschnitten auf ein junges Publikum und überraschend unpolitisch. Im Studio des Ludwigshafener Pfalzbaus ist die Produktion zu Gast gewesen.

Dass diese Aufführung nach Ludwigshafen kommen konnte, war keine Selbstverständlichkeit. Fast vier Monate mussten die Mitwirkenden auf ihre Visa warten, das Bühnenbild traf verspätet ein, die deutsche Übertitelung des albanischen Textes wurde erst kurz vor der Aufführung fertig, und die Luftballons am Ende sind auch nicht zerplatzt. Der Knall sollte eigentlich den Pistolenschuss hörbar machen, mit dem sich der liebeskranke Werther das Leben nimmt. Regisseur Stefan Schletter scheint es gewohnt, mit solchen Schwierigkeiten umzugehen. Dass man seine Inszenierung nun auch im Pfalzbau zeigen konnte, hat ihn trotz aller Schwierigkeiten sehr glücklich gemacht. Im Kosovo Theater zu machen, sei keine einfache Sache, erzählt Schletter nach der Vorstellung. Obwohl in Ferizaj, der sechstgrößten Stadt des Kosovo, mit dem Teatri Adriana eine schmucke Spielstätte aus der Tito-Zeit zur Verfügung steht, seien die Möglichkeiten für modernes Theater doch sehr begrenzt. Theater sei hier überwiegend traditionell und volkstümlich, nichts für ein junges Publikum. „Dabei ist der Kosovo ein sehr junges Land“, sagt Schletter, „60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30.“ Das Land mit seiner überwiegend albanischen Bevölkerung gehörte zu Jugoslawien, nach dessen Auseinanderbrechen zu Serbien. Im Zuge des Balkankrieges erklärt der Kosovo 2008 seine Unabhängigkeit, der völkerrechtliche Status ist aber bis heute umstritten. Schletter, in Wiesbaden, Heilbronn und zuletzt auch am Pfalzbau für das Junge Theater verantwortlich, kam als Gastregisseur, unterstützt vom Goethe-Institut nach Ferizaj, um hier mit jungen Schauspielern Goethes berühmten Briefroman auf die Bühne zu bringen. Er hat den nach seinem Erscheinen im Jahr 1774 zum internationalen Bestseller gewordenen Prosatext auf eine einstündige Fassung eingedampft. Nur drei Darsteller sind auf der Bühne, dazu ein Gitarrist und ein bisschen Ausstattung. Die Dreiecksgeschichte wird unauffällig in die Gegenwart geholt und sehr geradlinig und psychologisch einfach erzählt. Jajush Ramadanis Werther ist ein überdrehter Stürmer und Dränger, der sich in jugendlichem Überschwang ganz seiner neu entdeckten Verliebtheit hingibt. Edona Berisha Bekteshis Lotte ist dagegen eine nüchterne Pragmatikerin, die den Teenagerflirt genießt, aber weit davon entfernt ist, eine Seelenverwandte des gefühlsverwirrten Werther zu sein. Milot Salihu als Lottes Verlobter Albert ist einfach nur ein braver Langweiler, dessen Lebenssolidität für Lotte aber doch verführerischer scheint als Werthers verliebte Flausen. Politisch ist das kein bisschen, und Regisseur Stefan Schletter hatte das auch nicht im Sinn. „Die jungen Leute haben es hier satt, immer alles politisch zu sehen“, erläutert er seinen Inszenierungsgedanken. „Wir wollten ein universelles Thema behandeln, das junge Leute in jedem Land interessiert.“ So ist man auf die Liebe gekommen, die manchmal eine komplizierte Sache ist. Ganz egal, ob man nun in Goethes Deutschland oder im Kosovo von heute lebt.

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