Ludwigshafen „Ich brenne immer noch für Europa“

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20 Jahre lang hat Udo van Kampen (67) bis zu seinem Ruhestand am 1. Januar 2015 fürs ZDF aus Brüssel berichtet. Bundestagsabgeordnete Maria Böhmer (66, CDU) schätzt den Journalisten, den sie seit gemeinsamen Studentenzeiten kennt, als Europa-Experten und hat ihn für einen Diskussionsabend über die EU und die Brexit-Folgen nach Maudach eingeladen. Dort haben wir mit van Kampen, der aus Sprendlingen (Rheinhessen) stammt und in Berlin wohnt, am Freitagabend gesprochen.

Herr van Kampen, Sie könnten Ihren Ruhestand genießen. Warum tun Sie sich stattdessen solche Tage an: lange Anreise, Verspätung, Diskussion bei Spätsommerhitze?

Ich brenne immer noch für Europa. Die Zukunft von Europa macht mir Sorgen. Ich möchte mich für den Erhalt von Europa einsetzen. Deswegen mache ich viele Veranstaltungen mit jungen Menschen und bei Parteien. Und zwar quer durch alle politischen Lager. Ist das also Ihr neuer Job bei Bertelsmann, den Sie nach Ihrem Ausscheiden beim ZDF angenommen haben? Bei Bertelsmann bin ich Berater des Vorstands. Vergangene Woche haben wir zwei Tage beraten, welche Projekte wir fördern möchten. Die Bertelsmänner schätzen meine praktische Erfahrung und Einschätzung. Durch diese Tätigkeit behalte ich ja auch meine Vitalität. Die EU ist stärker denn je im Fokus. Würden Sie die Themen nicht gerne selbst vor der Kamera beleuchten? Nein, das ist nicht so. Ich war 40 Jahre beim ZDF, davon fast 30 Jahre als Korrespondent in Brüssel und New York. Da ist es auch mal Zeit für etwas Neues und Spannendes, in das ich meine Erfahrung einbringen kann. Ich freue mich, dass ich so gefragt bin. Rosenschneiden daheim im Garten war noch nie mein Fall. In Maudach ging es zwei Stunden lang um den Brexit, also das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU. Hatten Sie ein solches Votum für möglich gehalten? Die Briten waren noch nie überzeugte Europäer und haben die weitere Vertiefung stets zu verhindern versucht. Sie haben immer nur auf ihre Vorteile in der EU geschaut und zu wenig auf die Pflichten. Trotzdem ist ihr Ausscheiden ein Verlust: wirtschaftlich wie politisch, insbesondere außenpolitisch. Und was wird nun kommen? Ich hoffe, dass man politisch und wirtschaftlich eng kooperieren kann. Beide sind aufeinander angewiesen. Aber eine Rosinenpickerei darf es nicht geben. Die Briten dürfen nicht nur auf die Vorteile des Binnenmarkts schauen und die Freizügigkeit einschränken wollen. Das geht nicht. In Ihren Ausführungen ist angeklungen, dass Brüssel oft als Sündenbock herhalten muss. Warum ist das so? Das Klischee von Brüssel als Bürokratiemonster ist in den Köpfen fest verankert. Doch die EU-Kommission hat sich verändert. Sie hat verstanden, reguliert nicht mehr alles, sondern konzentriert sich auf zentrale Fragen, die in der Gemeinschaft besser zu lösen sind. In Maudach waren alle Plätze belegt, gut 75 Zuhörer da: Ein Beleg, dass die EU doch als Thema zieht? Das Interesse an Europa ist seit dem Brexit gestiegen. Die Menschen spüren, was sie an Europa haben. Vielleicht ist das das einzig Positive am Brexit. Auch in Deutschland hat Europa seither an Zustimmung gewonnen. Das ist ein gutes Zeichen. Zum Schluss noch eine Frage an den ehemaligen USA-Korrespondenten: Wer wird die Präsidentschaftswahl im November gewinnen? Ich hoffe und wünsche mir, dass Hillary Clinton das Rennen macht. Wir brauchen besonnene und intelligente Leute auf dem wichtigsten und mächtigsten politischen Posten der Welt. Trump wäre eine Gefahr.

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