Ludwigshafen Hildegard von Bingen in der pfälzischen Prärie

Serenaden unter freiem Himmel gibt es im Sommer im Anwesen Kaufmann in Schifferstadt. Diesmal war das Ditzner-Twintett eingeladen mit – ja, was für einer Kategorie von Musik eigentlich? Auf jeden Fall einer, die in keine Schublade passt, aber Riesenspaß macht.

Angekündigt war das Ganze als „Jazz“, aber Schlagzeuger Erwin Ditzner und die Zwillinge Roland und Bernhard Vanecek (deshalb „Twintett“, obwohl es ein Trio war) sind viel zu sehr Vollblutmusiker, um sich an musikalische Grenzen zu halten. Erwin Ditzner hat als Rockmusiker angefangen, nachdem er eine klassische Ausbildung am Konservatorium als Schlagwerker wegen der Anziehungskraft der Rockmusik abgebrochen hatte, und hat später viel Jazz gemacht, ohne den Rock zu vergessen. Sein Schlagzeug bringt nicht einfach Takt und Rhythmus zu dem, was die andern machen, sondern ist ein gleichwertiges Musikinstrument mit einem erstaunlichen Reichtum an Klängen, zumal, wenn man bedenkt, wie reduziert es in der Ausstattung ist. Nur das Notwendigste steht da, aber davon nutzt er jeden Zentimeter, auch die Seiten der Trommeln, die Stöcke allein, und wenn er mit dem senkrecht gehaltenen Stock über das Becken schrammt, dann quietscht das wie Kreide auf einer Schultafel. Roland Vanecek spielt normalerweise ganz klassisch am Wiesbadener Staatstheater die Tuba. Hier bediente er ein ziemlich entfesseltes Sousaphon, das ist eine Basstuba mit nach der Seite statt nach oben gerichteten Schalltrichter, wie sie bei den Marching Bands von New Orleans üblich ist. Im Lauf des Abends kamen noch Keyboard, und, als Premiere, ein elektronisches Tasteninstrument dazu, das über einen Touchscreen bedient wird. Sein Zwillingsbruder Bernhard bläst die Posaune oder geigt sie auch mal, und, wenn es passt, kommt die Melodica dazu. Auch er ist eigentlich „klassischer“ Posaunist mit dem Hang, sich musikalisch nicht einsperren zu lassen. „Wir machen Musik auf Ohrenhöhe“, so erklärte es Roland Vanecek. Manchmal sind das Themen aus klassischen Kompositionen, aber eingebettet in ein grooviges Klangfeld. So zu hören beim ersten Stück, in dem das Thema von Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ steckte, ein echter Aufwecker der Posaune, während Sousaphon und Schlagzeug für den Groove zuständig waren. Das Prinzip funktioniert aber auch mit alten Schlagern wie „Wochenend und Sonnenschein“. Ein Calypso fuhr zwei Zuhörerinnen so in die Beine, dass sie zu tanzen anfingen – und das ziemlich gut. Das war genau das, was auch die drei Musiker haben wollten, und den Zuschauern hat es auch gefallen. Auch Hildegard von Bingen steuerte rund 900 Jahre alte Themen für diese Musik bei, und die klang plötzlich sehr zeitgenössisch in der Art, wie die drei sie umsetzten. Orientalisch-pfälzisch wurde es bei „Achmed lach net“: Die Vaneceks hatten eine Melodie in Mazedonien gehört und, wieder zu Hause, die Erinnerung umgesetzt. Noch pfälzischer wurde es mit der „Pfälzischen Prärie“. Das Sousaphon kann hervorragend das Muhen von Kühen nachahmen, hinterher noch Hühnergegacker – was halt die Abendstimmung in einem Westpfälzer Dorf, in dem die Vaneceks aufgewachsen sind, ausmacht Western-Filmmelodien kamen dazu, Träume von Weite und Abenteuer im Kino um die Ecke. Hitze hin oder her, keiner wollte am Schluss gehen, ehe nicht drei Zugaben gegeben waren.

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