Ludwigshafen Grenzenlose Gier

„Gold“ erzählt das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ mit einer Sängerin und einem Schlagzeuger. Anders als bei Grimm, geht es nicht um einen Ehemann, der seiner gierigen Frau alle Wünsche erfüllen muss, sondern um eigensüchtige Eltern, die ihren Sohn Jakob dafür benutzen. Die Produktion der Jungen Oper für Kinder ab fünf Jahren hat am Samstag Premiere.

Das Libretto hat Flora Verbrugge geschrieben, die Leiterin vom Theater Sonnevanck in Enschede, zu dem der Mannheimer Schnawwl eine schon jahrelange Beziehung pflegt. Der niederländische Komponist Leonard Evers hat eine für seine Jugend – er ist Jahrgang 1985 – beachtliche Karriere mit Schwerpunkt Jugendmusiktheater und Film vorzuweisen. Die Kinderoper „Gold“ wurde schon in Oldenburg vorgestellt und hat großes Interesse bei den Theatermachern gefunden. Mannheim sicherte sich die Erstaufführung. Weitere Inszenierungen werden in Mainz, in der Deutschen Oper Berlin, in Aachen und an der Sächsischen Landesbühne folgen. In Mannheim führt Jule Kracht Regie. Sie ist ein Schnawwl-Gewächs und inzwischen dem fruchtbaren Nährboden entwachsen, auf dem sie vor zehn Jahren ihr erstes Engagement nach der Schauspielschule angetreten hat. Sie spielte in vielen Produktionen und bewährte sich in „Julie und der Riese Junior“ erstmals als Regisseurin. Im Schnawwl inszenierte sie unter anderem „Aschenputtel“, „Risiko“, „Bye, bye, Chinchilla“, zuletzt „Spatz Fritz“; in der Jungen Oper „Riech mal wie das klingt“. Sie ist jetzt freie Regisseurin. Auf sechs Produktionen an mehreren Theatern kommt sie in dieser Spielzeit. Ihre regelmäßige Ausstatterin ist Merle Katrin Seibert. Die beiden kennen sich aus ihrer Studienzeit an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Jakob fängt einen Zauberfisch, der ihn um sein Leben bittet. Vor Staunen darüber, dass der Fisch sprechen kann, fällt dem Jungen zuerst überhaupt kein Wunsch ein. Wohl aber seinen Eltern; sie schicken Jakob vor, um immer größere Wünsche einzufordern. Der Wunsch nach materiellen Dingen heißt heute Konsum. Er wird von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Jakob will dem Fisch nicht ständig Wünsche vortragen, er wird dazu von seinen Eltern instrumentalisiert. „Erst wollen sie nur ein Paar Schuhe und eine Decke. Dass sie ein Haus möchten, ist auch noch im Rahmen. Aber dann muss es ein Schloss sein, und weil das so riesengroß ist, brauchen sie Dienerschaft; weil sie nun nichts mehr zu tun haben, wollen sie Reisen machen...“, führt Jule Kracht aus. „Das Meer grollt, und bei jedem Wunsch wird der Fisch magerer. Bis zum Schluss ein Tsunami alles hinwegspült. Vater und Mutter sitzen wieder in ihrem alten Loch und erleben es als Riesenglück, dass sie Jakob wiederfinden, von dem sie dachten, dass er ertrunken wäre.“ Nicht die Hybris, so sein zu wollen wie Gott, stürzt den Menschen ins Verderben wie im alten Märchen, sondern die durch das Unmaß seiner Wünsche ausgelöste Umweltzerstörung. „Wir konsumieren gedankenlos, und ich selbst nehme mich dabei gar nicht aus“, konstatiert Jule Kracht. Während der Arbeit an der Oper hat es bei ihr klick gemacht. Die Ausstattung besteht aus Kissen, die wie glatt gewaschene Steine aussehen. „Zuerst haben wir an Filzkissen gedacht. Im Internet fanden wir ein preiswertes Angebot aus China und waren begeistert. Ihr macht ein Stück über Umwelt und wollt dafür Filzkissen in China bestellen?, hagelte es Kritik. Da wurde mir schlagartig klar: Das geht überhaupt nicht.“ Die jetzigen Gebilde aus der Theaterwerkstatt sind umweltfreundlich. Die Sopranistin Barbara Emilia Schedel singt und spielt in der Mannheimer Aufführung Jakob und seine Mutter. Der Schlagzeuger Thorsten Gellings verkörpert Vater und Fisch. Die Erzählung hat Regisseurin Jule Kracht auf die beiden aufgeteilt.

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