Ludwigshafen Freiheit mit Elch

In Mannheim war Lars Reichow nicht zum ersten Mal, aber erstmals im Capitol. Hier habe wohl schon Leni Riefenstahl ihre Filme vorgestellt, mutmaßte er auf der Bühne des historischen Gebäudes, das ursprünglich ein Kino war. Der Mainzer Kabarettist war mit seinem neuen Programm „Freiheit!“ zu Gast.

„Wenn wir daraus nichts machen, ist es irgendwann vorbei“, sang er und rief dazu auf, die privaten und politischen Freiheiten, die man hat, zu schätzen, zu verteidigen und vor allem zu nutzen. Reichow zeigte sich in seinem Programm, wie immer einer Mischung aus Wortbeiträgen und Musik, nicht nur witzig und unterhaltsam, sondern ebenso kritisch und nachdenklich. Der 50-Jährige setzt nicht allein auf Pointen. Er wechselt vom sanften Liebeslied am Flügel zum selbstbewussten Rap am Keyboard, vom Boogie zur Büttenrede, schafft jeden Stimmungswechsel ohne sein Publikum zurückzulassen. Manchen genüge es, ein Fenster zu öffnen, um Freiheit zu spüren, andere suchten sie in der Ferne, erklärt Reichow mit einem schönen Gruß an den gerade verurteilten ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der derzeit in Untersuchungshaft weilt und nicht an seinem Wohnsitz in Saint-Tropez. Ausufernd plauderte der Kabarettist über seine Suche nach den letzten großen Vergnügungen, nach Freiheit in der Freizeit, unterwegs mit dem Wohnmobil durch Norwegen. „Das ist so authentisch“, schwärmte seine Frau, während er Überlegungen anstellte, dass im Campingbus wohl deswegen so beengte Verhältnisse herrschen, damit man die Freiheit außenrum erst zu schätzen weiß. „Ein Wohnmobil ist wie ein Zauberwürfel: Ein Dreh, und es ist ein ganz anderes Zimmer“, so Reichow. Die Suche nach der schönsten und zugleich einsamsten Stelle von Norwegen führt am Ende zu Elchen und Trollen. Reichow grübelt auch über Apps, Kaffeevollautomaten, den Cannstatter Wasen oder das Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands. Am Keyboard versetzte er sich in eine Frau, die online einkauft und sich in der Innenstadt wundert, wo die ganzen Läden hin sind: „Shop, shop, stop“. Er nimmt Anstoß an „aufgeblasenen Verbrecherrappern“, die für ihre Oberarme länger gebraucht haben, als für ihre Texte. „Ich hol mir noch ein Stückchen Pizza und schieb’s mir in den Mund, das Boot sinkt langsam auf den Grund“, reimt er über unsere Ignoranz gegenüber afrikanischen Bootsflüchtlingen. Dann wird er zum Rentner in der Bütt’, der im breitesten Rheinhessisch erklärt, warum er keine Emigranten aufnehmen kann: „Die Kinderzimmer bleiben leer. Ich will, dass die Kinder später wieder einziehen können, wenn sie geschieden sind.“ Ausländer seien eigentlich kein Problem, und wenn doch: „Vielleicht können wir das auch ein bisschen später lösen und vielleicht wo anderster.“

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