Ludwigshafen Filmkulissen und Schneegestöber

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Die Kunst hat in der Mannheimer Galerienszene eine kleine Pause gemacht. Jetzt ist sie wieder voll da. Mit Malerei von Wolfgang Neumann und Katie Pratt, Fotoarbeiten von Anna Lehmann-Brauns und Skulpturen von Thomas Putze und Andreas Weizenbach sorgen Grandel, Zimmermann, die Strümpfe und Keller für kurzweilige Angebote im noch jungen Ausstellungsjahr. Kurioser Zufall: Vier der fünf Künstler sind zwischen 1965 und 1969 geboren.

Die Fotografin Anna Lehmann-Brauns (Jahrgang 1968) ist Spezialistin für leere Räume und mysteriöse Stimmungen. Äußerste Künstlichkeit spürt sie in banaler Umgebung auf und deutet sie in surreale Szenerien um. Mit 13 Arbeiten ist die Ausstellung recht klein, aber viel Platz gibt es bei den Strümpfen ohnehin nicht. Trotzdem eine spannende, an Beispielen aus drei Werkgruppen festgemachte Begegnung zwischen Realität und Simulation. Die „Modelle“ sind genau das, was der Titel sagt: Im Puppenstubenformat nachgebaute und fotografierte Innenräume. In den „Filmsets“ wird die kulissenhafte Welt der Daily Soaps abgegrast, die „Verlorenen Paradiese“ gewähren einen frustrierenden Blick in die Hallen einer polnischen Fabrik für die Lackierung von Plastiktieren und Comicfiguren, wie sie in Werbung, Stadtmöblierung oder Rummelplatz zum Einsatz kommen. Der Schnellkurs durch das jüngere Werk der systematisch arbeitenden Berlinerin macht Lust auf mehr. Bei Grandel heißt es umdenken. Mit dem auf das eigene Schaffen gemünzten Schlagwort „Kompressionismus“ geht das zwischen Malerei, Skulptur, Video, Songtexten und Gedichten irrlichternde Multitalent Wolfgang Neumann wieder einmal in die Vollen. Denn wo der Frühvierziger zum Pinsel greift, hat die ordnende Vernunft einen schweren Stand. Grell und motivisch überfüllt sind seine Bilder. Neumanns Fabulierlust ist irre, im Ungefähren irrlichternd und kritisch hoch kontaminiert die Aussage. „Spülsaum“ steht auf der Einladungskarte der Malerei und Zeichnung vereinenden Ausstellung dieses malenden Raconteurs, der in mörderischen Bildgeschichten zusammenleimt, was gar nicht zusammengehört. Bei soviel Chuzpe könnten selbst die alten Jungen Wilden noch neidisch werden. Auch irritierend: die Doppelausstellung der Bildhauer Thomas Putze und Andreas Welzenbach. (1968 und 1965 geboren) bei Ursula Keller auf dem Lindenhof. Beide arbeiten in Holz, manchmal tun sie das zusammen. Dann entstehen seltsame, aus zwei Stammhälften zusammengefügte Wechselbälger, bei dem der eine (Putze) schwarze Affen klettern lässt, der andere (Welzenbach) einen verunfallten Krankenwagen, nachgeschnitzte Holzsskulpturen anonymer Hobbykünstler oder einen hölzernen Lampenschirm nebst Glühbirne hinzufügt und die Frage hinterlässt, was man davon halten soll. Ernsthafter erscheinen die Figurengruppen, die Thomas Putze aus splitternden alten Fensterläden und beschichteten Platten herausholt. „Schneegestöber“ ist eine Überschrift, die passt. Demgegenüber geradezu klassisch: Katie Pratt bei Zimmermann, der die interessante Künstlerin exklusiv für Deutschland vertritt. Die 1969 in London geborene Engländerin malt traumverlorene Bilder zwischen Kalkül und Augenblick, informeller Ausgangslage und wägendem Finish. Ein zwischen Zufall und Methode schillerndes Konzept, das zu ebenso schillernden Bildern führt. Erst wird die Bildfläche sozusagen aus dem Bauch heraus tachistisch grundiert, dann übernehmen Können, Erfahrung und Ordnungsliebe die Kontrolle über die gemalte Willkür. Bei Katie Pratts Abwägungen ist alles möglich: Die kleinteilige Häkelei, das mit breitem Pinsel applizierte Drauf, die haptische Farbinsel und die gitter- oder rasterartige Übermalung. Was drüber, was drunter ist: Am Ergebnis stellt man solche Fragen besser nicht. Kein Bild gleicht dem anderen, die Urheberschaft der Malerin ist auf subtile Weise (und durchaus absichtlich) in Frage gestellt. Öffnungszeiten —Strümpfe – The Supper-Art-Club in Mannheim, Jungbuschstraße 3, bis 26. Februar, Mi und Do 14-19 Uhr, Fr 20-2 Uhr. —Galerie Grandel in Mannheim, S4, 23, bis 13. Februar, Di bis Fr 14-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr. —Galerie Keller in Mannheim, Rheindammstraße 50, bis 29. Februar, Do und Fr 14-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr. —Galerie Peter Zimmermann in Mannheim, Leibnizstraße 20, bis 27. Februar, Di bis Fr 12.30 -18 Uhr, Sa 11-14 Uhr.

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