Ludwigshafen Faszinierende Fossile

Beruflich laufe ich ihnen selten über den Weg. In der „nervösen Zone“, also dem Regierungsviertel in Berlin, habe ich eher Umgang mit Bundestagsabgeordneten, wie sollte es in der Hauptstadt auch anders sein. Umso faszinierender sind die gelegentlichen Treffen mit Ortsvorstehern, Ortsbürgermeistern oder anderen Kommunalpolitikern. Am liebsten treffe ich mich mit politischen Fossilen. Die müssen bei ihren Bewertungen keine Karriererücksichten mehr nehmen. Die sind abgeklärt. Folglich reden sie in der Regel offen. Sie überblicken lange Zeiträume, spüren Veränderungen an der Quelle – und müssen vor Ort mit ihnen umgehen. In Oppau habe ich mich mit Ortsvorsteher Udo Scheuermann zusammengesetzt. Der Mann imponiert! In wenigen Tagen wird er 73 Jahre alt. Mit der Gelassenheit des Erfahrenen – er hat über 40 Jahre Kommunalpolitik auf dem Buckel – analysiert er die Stimmung in der Region. Er schwafelt nicht drum rum. Er umkurvt die heiklen Punkte nicht in weiten rhetorischen Schwüngen. Er klebt keine Pflaster der Beschwichtigung. Er nennt die Dinge ganz unaufgeregt beim Namen. Das ist wohltuend. Den Inhalt des Gesprächs verrate ich natürlich nicht. Das war so ausgemacht. Aber aus all den bisherigen Gesprächen über die Stimmung habe ich folgendes Substrat herausgefiltert: Spürbar zugenommen hätten Bürgers Gleichgültigkeit, Desinteresse, Ich-Bezogenheit, Verständnisdefizite einerseits, Unwillen, sich zu informieren, andererseits, pauschale und aus der Hüfte abgefeuerte Kritik, aggressive Wortwahl, Vertrauensverlust, Zweifel, Verunsicherung. Angemerkt wurde ferner, dass Politik zunehmend weniger wertegebunden betrieben wird. Und: Dass die Volksvertreter für Bürger wichtige Themen nicht erkennen oder sie in Berlin und Mainz nicht umsetzen. Irgendwie funktioniert die Kommunikation zwischen „oben“ und „unten“ nicht. Klar, natürlich waren auch die Medien ein Thema: Gesprächspartner haben Oberflächlichkeit beklagt und die unzureichende Vermittlung von komplexen Sachverhalten. Mhh … ist es wirklich alles so schlimm? Auf jeden Fall stimmt es nachdenklich! Die Kolumne Hartmut Rodenwoldt, 60, ist Leiter der Berliner Redaktion der RHEINPFALZ. In dieser Woche ist er in Ludwigshafen und im Rhein-Pfalz-Kreis unterwegs: Er will mit möglichst vielen Bürgern ins Gespräch kommen. Seine Eindrücke verarbeitet er in dieser täglichen Kolumne.