Ludwigshafen Einblick in Bachs Werkstatt

Mit dem Tag der offenen Tür in der Ludwigshafener Philharmonie ist gestern die neue Konzertsaison der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz eingeläutet worden. Es geschah bei erfreulich regem Publikumsinteresse: Im Konzertsaal tummelten sich Alt und Jung. Da die Veranstaltung auch auf dem Vorplatz stattfand, tat das schöne Wetter gut.

Das Angebot war abwechslungsreich und ausgesprochen farbig: eine weit gefächerte Palette unterschiedlicher Gattungen und Stilrichtungen, die von der Klassik über Freistil-Konzert, Kaffeehausmusik und Latin Jazz bis zur musiktheatralischen Show reichte. Ganz im Zeichen der Klassik stand der Vormittag. Nach Begrüßung der Besucher durch Intendant Michael Kaufmann und den für die Programmkonzeption des Tages zuständigen philharmonischen Soloklarinettisten Gerhard Kraßnitzer probte Chefdirigent Karl-Heinz Steffens Bachs erstes und drittes „Brandenburgisches“ Konzert und führte dann die ersten Sätze auf. Die sechs „Brandenburgischen“ Konzerte stehen in den beiden nächsten Konzerten der Reihe „Modern Times“ auf dem Programm: am Donnerstag in der Ludwigshafener Friedenskirche und am 23. September im Mannheimer Capitol. Gegenüberstellt werden ihnen Werke von Strawinskij und Hindemith beziehungsweise Cool Jazz der fünfziger und sechziger Jahre. Die Probenarbeit begleitete Steffens mit Einführungen zu den Stücken, zu Bachs Stil und musikalischer Welt, gab Informationen zu den Instrumenten, zur Stellung der Musik und der Musiker im gesellschaftlichen Gefüge der Barockzeit und deren Sitten. Zu erfahren war dabei etwa, dass die Oboisten im Orchester von Fürst Leopold, Bachs Arbeitgeber in Köthen, auch in der Küche dienten und der Sologeiger zugleich der Fechtmeister seiner Durchlaucht war. Außerdem, dass das aus Frankreich stammende Menuett ursprünglich ein schneller Tanz gewesen war, nur musste sich am Pariser Hof sein Tempo der unaufhaltsamen Körpergewichtszunahme des Sonnenkönigs folgend von Jahr zu Jahr verlangsamen. Steffens profilierte sich also als ebenso angenehmer, eleganter wie kluger Unterhalter. Seine Ausführungen waren einerseits geistreich, unterhaltsam, andererseits überaus gehaltvoll und gewährten einen aufschlussreichen Einblick in Bachs Werkstatt. Hoch interessant wirkten etwa seine Auslegungen der beiden Kopfsätze: beim ersten Konzert als Jagdszene mit den dafür charakteristischen Hörnern, dem dritten als klingendes Bild der Sitzung in einem imaginären Parlament, im Einklang mit der Anlehnung der Barockmusik an die Prinzipien der Rhetorik. Bach, so Steffens, sei der modernste Komponist seiner Zeit gewesen, der die Musik auf seinem fortgeschrittensten Zustand vorgestellt hatte. Seine These demonstrierte der Dirigent überzeugend an den einander kontrastierenden Rhythmen des Kopfsatzes und den harmonischen Kühnheiten, den aufregenden Intervallreibungen des Adagios im ersten Konzert. Schließlich: Steffens’ Musikbegeisterung ist einfach ansteckend: Ihm zuzuhören und der Musik unter seiner inspirierenden Leitung zu folgen, war ein Hochgenuss – zu dem die brillant spielenden Philharmoniker wesentlich beitrugen. Auf das Bach-Programm folgte zunächst das Adagio Freistil Konzert, das einstündige Projekt Andrea Apostolis, des Konzertpädagogik-Beraters der Staatsphilharmonie, mit stillen Tönen von Debussy, Fauré und folkloristisch angehauchten Klängen aus Griechenland, dem „Land der Mythen“. Vom hohen instrumentalistischen Standard und den virtuosen Reserven der Staatsphilharmonie zeugte dann ein exquisites Kammerkonzert mit Musiken von Rossini, Carl Philipp Emanuel Bach, Jefferson Schöpflin und Carl Nielsen. Das Bläserquintett des Letzteren wurde dargeboten von einem Ensemble, das sich gerade den dritten Preis beim ARD-Wettbewerb erspielt hatte. Geboten wurden zudem das Kinderprogramm „Ein Wunderkind auf Reisen“, die traditionelle Kaffeehausmusik, „Die Palastsirenen“, ein Musiktheater über Erfolg und Misserfolg im Musikleben, über Starallüren mit Tanz, Gesang und Instrumentalbeiträgen sowie „Jazzaffine“ featuring Maria Kögel mit Latin Jazz.

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